„Wir müssen raus aus der Reparaturlogik“

Helmut Prieschenk ist zum Zeitpunkt des Teams-Interviews auf einer zweiwöchigen Dienstreise in Nordamerika - besucht Kunden, begutachtet Logistikprojekte vor Ort, schaut sich Baustellen an und lernt viel über Nachhaltigkeit made in USA. Im Interview erklärt er, wie sich das Thema Nachhaltigkeit in der Logistik verändert, warum das Thema vor einem Paradigmenwechsel steht und Ökologie, Ökonomie und soziale Faktoren kein Widerspruch sind.
Helmut Prieschenk, Geschäftsführer 
von Witron Logistik + Informatik.
Helmut Prieschenk, Geschäftsführer von Witron Logistik + Informatik.Bild: Witron Logistik + Informatik GmbH

„Auch in Nordamerika ist das Thema sehr präsent, wenn auch in einer anderen Ausprägung“, berichtet der Witron CEO. „Große Autos gäbe es dort noch immer, aber auch die Amerikaner spürten die Teuerung des Treibstoffs, sehen die Auswirkungen des menschlichen Handelns, Konsumenten fordern ein wirkliches Handeln der Retailer – nicht nur Greenwashing – und Regierungsprogramme locken mit viel Geld, wenn es um Energieeffizienz und Nachhaltigkeit geht“, so Prieschenk. „Selbst dort werden die Flächen für Logistikimmobilien knapp. Brownfield-Projekte gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die Supplier sind eingeschwungen, der Standort ist in das Logistik-Netzwerk eingebunden, die verkehrstechnische Infrastruktur und die Energieversorgung sind bereits vorhanden, die Logistik-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind vor Ort und müssen nicht mehr neu rekrutiert werden. Getreu dem Credo „Use your Assets“ können wir auch hier mit unseren Lösungen sehr gut weiterhelfen, haben in Europa bereits in zahlreichen Projekten bewiesen, dass eine Integration von neuer Technologie in ein bestehendes Gebäude sogar während des laufenden Betriebes erfolgreich umgesetzt werden kann.“

IE4 ist wichtig, aber es braucht mehr

Zurück in die USA. Die US-Kolleginnen und Kollegen verfolgen die Strategie, nicht nur um Energie zu sparen, sondern um der Erde auch was zurückgeben. „Regeneration ist momentan das Schlagwort in Kanada und den USA“, erklärt Prieschenk.

Was bedeutet das für Witron? Man müsse aus der Reparaturlogik raus, heißt es bei den Oberpfälzern. Die Probleme nicht erst im Verteilzentrum lösen, sondern da wo sie entstehen. Die Idee: Neben IE4-Motoren, Energierückgewinnung am RFZ oder PV-Anlagen geht es darum, unnötige Bewegungen im Logistikzentrum zu vermeiden. „Wir müssen in der Planung mit dem Kunden das Thema Effizienz neu definieren. Zum einen geht es natürlich um das Verteilzentrum und um die Anzahl der Paletten und Kundenaufträge, die täglich umgeschlagen werden. Darüber hinaus stehen Themen wie Servicegrad für Filial- und Endkunden sowie die Wirtschaftlichkeit ganz oben. Das ist die Pflicht. In Zukunft muss man jedoch deutlich weiterdenken. Die Kür ist nämlich dann, die Leistungsdaten mit Verbräuchen zu koppeln.“ Deshalb analysieren Witron-Mitarbeiter in der Planungs-, Realisierungs- und Betriebsphase die Leistungs- und Energiedaten. Prieschenk ist überzeugt: „Wir müssen uns Fragen stellen, wie z.B. ob es nicht sinnvoll ist, weniger Inventory durch die Supply Chain zu fahren. Productivity ist das Schlagwort.“ Dieser Punkt ist Retailern und Filialbetreibern verständlicherweise sehr wichtig. „Stock out“ ist ein entscheidendes Thema in der Branche. Wir trauen uns aber in Zukunft mit weniger Puffer und mit mehr Wissen aus Daten ein Logistikzentrum zu fahren, noch effizientere Lager zu bauen, Foodwaste zu vermeiden, Energie zu sparen – und wir müssen Geschäftsmodelle in Frage stellen, die ökonomisch, sozial und ökologisch nicht funktionieren. Statt ESG muss es ESB heißen Environmental, Social und Business, nur dann haben wir Erfolg – gemeinsam mit unseren Kunden.“ Der CEO ist sich sicher: „In Zukunft schreiben wir in unseren Pressemitteilungen neben den Leistungsdaten von Maschinen und Verteilzentren ganz selbstverständlich über den CO2-Austoss per Colli oder über den Energiehaushalt der Anlage.“

Brauchen wir die Slipsheets?

Dafür brauche es Anstrengungen bei Witron, beim Kunden und in der Supply Chain. „Unsere Onsite-Teams in den Logistikzentren kennen die Anlagen, die Prozesse. Wenn denen beispielsweise auffällt, dass ein Zulieferer unnötige Umverpackungen hat, dann suchen wir sofort das Gespräch mit ihm. Oder wir haben den Fall, dass Lieferanten Slipsheets in die Paletten einziehen und es diese eigentlich gar nicht braucht.“ Man müsse bis ins Detail aktiv auf die Suche nach Effizienzgewinnen gehen, heißt es bei Witron. Das ist oft mühsam, aber auch sehr erfolgreich. „Optimierungspotential gib es oftmals ebenso im Bestellverhalten der Filialen oder der Endverbraucher, in der Tourenplanung, oder in der Lkw-Auslastung.“

Nachfrageseite der Energie

Das Logistikzentrum ist wie ein Elektroauto, sind die Ingenieure bei Witron überzeugt. Der Kunde könne das Lager permanent auf Höchstleistung fahren und die Maschinen fordern, aber ist das im Gesamtkontext auch wirklich SINN-voll? „Der Elektromotor im Auto hat einen wahnsinnigen Wirkungsgrad – wie auch unsere Anlagen. Und wir können schnell die Prozesse beschleunigen, wenn es sein muss, wenn es notwendig wird. Aber genauso wie man lernen muss, ein E-Auto zu fahren, muss man lernen ein Logistikzentrum wirtschaftlich und konsumentenorientiert zu fahren, aber dennoch ökologisch zu dimensionieren und zu betreiben. Dafür brauchen wir den Kunden, die Daten und den Zulieferer sowie die Filialen bzw. den Konsumenten.“ „Und“, ergänzt Prieschenk, „wir müssen genau planen, auf welcher Strecke wir fahren. Für die Logistik bedeutet das, wo und in welchem Profil entstehen die Nachfragen, wie reagieren wir darauf, was können wir voraussagen?“

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