Neuer Code für die Tourenplanung

Dr. Stefan Bauer von Witron verantwortet das CPMS-Wellpappengeschäft der Oberpfälzer. Ebenso sind er und sein Team an der Entwicklung und Weiterentwicklung diverser Plattform-Lösungen beteiligt, die später auch im Lebensmitteleinzelhandel in Logistikzentren auf der ganzen Welt installiert werden. Das gilt auch für das jüngste Witron-Projekt unter der Verantwortung von Dr. Bauer: Die Automatisierung der Tourenplanung mit integrierter 3D-Beladeoptimierung im Rahmen eines Entwicklungsprojektes mit der TU Dresden.
 Das weiter- bzw. neuentwickelte Touren-Planungs-Tool unterstützt die Disponenten in der operativen Planung beim optimalen Einsatz der Lkw-Flotten in Handel und Industrie.
Das weiter- bzw. neuentwickelte Touren-Planungs-Tool unterstützt die Disponenten in der operativen Planung beim optimalen Einsatz der Lkw-Flotten in Handel und Industrie.Bild: Witron Logistik + Informatik GmbH

„Wir hatten dazu schon eine innovative Lösung, die damals Anfang der 2000er Jahre basierend auf einem Savings-Algorithmus viel Aufmerksamkeit in den Branchen erfuhr und hochgelobt wurde“, erklärt Bauer. Das Problem: Über die Jahre bauten die Entwickler immer mehr Restriktionen ein. Die Laufzeiten waren bei den großen Lieferpools nicht mehr zufriedenstellend und der Codeumfang wuchs.

„Die Wartung wurde immer schwieriger“, erinnert sich der Oberpfälzer. „Sowohl Technologien als auch die Wissenschaft haben sich weiterentwickelt, uns war klar, wir müssen auf eine neue Technik gehen, um auch zukünftig weiterhin Maßstäbe in der Branche zu setzen.“ Bauer und sein Team suchten nach externer Unterstützung. Über Oberpfälzer Beziehungen erfuhr Leopold Kuttner vom Bedarf bei Witron. Kuttner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Industrielles Management von Prof. Dr. Udo Buscher an der TU Dresden. „Wir drücken uns nicht vor realen Problemen“, scherzt Wissenschaftler Buscher.

Das Ziel des Projektes war also, die bestehende Tourenplanungslösung von Witron zu verbessern, wobei komplexe Transporttarife und verschiedene praxisrelevante Restriktionen berücksichtigt werden mussten. Zum Beispiel zählen zu den Restriktionen für die Tourenplanung mehrere Zeitfenster, Auftragssplitting und ein heterogener Fuhrpark, und für das Packproblem Restriktionen wie Stapelbarkeit und LIFO-Entladung. Zum Lösen des Packproblems werden ein bewährtes Beladeoptimierungstool von Witron und ein vom Lehrstuhl entwickelter Packalgorithmus verwendet.

„Um zulässige Lösungen von guter Qualität zu erreichen, muss das Tourenplanungs- und das Packproblem integriert gelöst werden. In der Kombination dieser zwei anspruchsvollen Optimierungsprobleme liegt die Schwierigkeit der Aufgabenstellung. Als zusätzliche Herausforderung müssen zahlreiche, praxisrelevante Restriktionen berücksichtigt werden“, erklärt Kuttner, der das Projekt TU-seitig betreute.

Die Wissenschaftler erarbeiteten einen Proof of Concept und fügten diesem immer mehr praxisrelevante Restriktionen hinzu. „Wir haben die Gesamtaufgabe in Teilprojekte zerlegt. Zur Vereinfachung wurden zu Beginn vorerst die meisten Nebenbedingungen vernachlässigt. Nach erfolgreicher Validierung der Teilabschnitte durch Witron wurden Nebenbedingungen angepasst und schrittweise weitere hinzugefügt, bis alle Planungsanforderungen abgedeckt wurden“, berichtet Kuttner.

 Eine hoch performante Tourenplanung und Verlade-Optimierung gewährleisten neben wirtschaftlichen Prozessen in der Lagerlogistik ebenso wirtschaftliche Prozesse in der End-to-End-Logistik der Anwender.
Eine hoch performante Tourenplanung und Verlade-Optimierung gewährleisten neben wirtschaftlichen Prozessen in der Lagerlogistik ebenso wirtschaftliche Prozesse in der End-to-End-Logistik der Anwender.Bild: Witron Logistik + Informatik GmbH

Alternative Planungsvorschläge

„Die größte Herausforderung war es, den Kunden Witron zunächst zu verstehen, denn Wissenschaft und Wirtschaft sprechen manchmal eine unterschiedliche Sprache. Dazu kam: Wir planen nicht auf der grünen Wiese. Wir durften ein bestehendes System optimieren“, verdeutlicht Buscher. Das bremse manche Entwicklung, vereinfache aber auch die Arbeit: „Manche in der Industrie schwören zwar noch auf Excel, da war Witron Gott sei Dank schon weiter“, ergänzt der Hochschullehrer.

Um das Problem der Tourenplanung und vor allem der Geschwindigkeit zu lösen, werden klassische Konstruktions- und Verbesserungsverfahren implementiert. Bei der integrierten Planung stellen die häufigen Aufrufe an das Beladeoptimierungstool den Flaschenhals bzgl. der Rechenzeit dar. Um diese Aufrufe möglichst gering zu halten, wird ein innovativer Pack-First Route-Second-Ansatz verfolgt. Hierbei ist die Grundidee das zeitintensive, dreidimensionale Problem durch eine eindimensionale Größe, die Lademeter, zu approximieren und somit Rechenzeit zu sparen. In Ergänzung dazu wird eine moderne Metaheuristik implementiert, heißt es am Lehrstuhl.

Durch das Projekt ist eine algorithmische Lösung zur Entscheidungsunterstützung entstanden, welche alternative Planungsvorschläge generiert, um Disponenten in der operativen Planung besser unterstützen zu können. So wird die Einhaltung aller Planungsvorgaben für die Touren- und Beladeplanung gewährleistet. Über eine parametrisierbare Kostenfunktion können Disponenten ihre Planungspräferenzen angeben und sich in Sekundenschnelle mehrere kostengünstige Vorschläge zu Tourenplänen generieren lassen. Durch die Zeitersparnis in der Planung können Disponenten anderen wertschöpfenden Aufgaben mehr Aufmerksamkeit schenken.

 Die neue Tourenplanungs-Lösung bietet dem Anwender 
vielfältige Optimierungs-Möglichkeiten.
Die neue Tourenplanungs-Lösung bietet dem Anwender vielfältige Optimierungs-Möglichkeiten.Bild: Witron Logistik + Informatik GmbH

Algorithmus pflegen

Bauer lobt die Geschwindigkeit der neuen Lösung. „Wir haben uns ganz neue Methoden angeschaut, viel aus dem E-Commerce gelernt und das dann um unsere Heuristik ergänzt.“ Validiert wurden die Teilabschnitte des Projekts mit Live-Daten aus der Produktion. „Da mussten sich auch die Wissenschaftler auf unsere Datenmodelle einlassen. Aber das verdeutlicht auch den Erfolg des Projekts, denn wir haben eine gemeinsame Sprache und gemeinsam mit unterschiedlichen Werkzeugen gearbeitet.“ Der praxiserfahrene IT-Experte Bauer weiß aber auch: „Wir müssen den Algorithmus jetzt weiter pflegen, weiterentwickeln. Das ist nicht immer leicht. Wir sind voll auf das Projektgeschäft ausgerichtet. Arbeiten sehr stark im Jetzt.“

Und dann blickt Dr. Bauer schon wieder nach vorne: „Der nächste Schritt ist die Implementierung der Lösung in den Lebensmitteleinzelhandel, denn in einer End-to-End-Plattform ist das ein entscheidender Baustein.“

Erfolgreiche Zusammenarbeit mit Hochschulen

Doch warum arbeitet Witron überhaupt bei Entwicklungs-Projekten mit Hochschulen zusammen, wo das Unternehmen auf dem Logistik-Markt doch für seinen eigenen hohen Wertschöpfungsanteil bekannt ist? „Als stark expandierendes Unternehmen mit sehr guter Auftragslage dürfen wir auf keinen Fall in die Situation geraten, Neuentwicklungen zu vernachlässigen“, so Dr. Bauer. „Und gerade im Software-Bereich greifen wir – aufgrund sehr guter Erfahrungen – gerne auf die Ressourcen von Hochschulen zurück. Aber natürlich auch, um einen neutralen, externen Blick auf unsere Ideen zu bekommen. Zum einen setzen wir bei Witron natürlich auf Lösungen und Technologien, die sich in der Praxis bewährt haben. Darüber hinaus beschäftigen wir uns selbstverständlich auch mit der branchenbezogenen Entwicklung und Weiterentwicklung von Cloud- und OpenSource-Anwendungen, wo Hochschulen und Institute einen sehr guten Blick über den eigenen Tellerrand ermöglichen.“ www.witron.de

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