
An den Begriff „Reverse Logistics“ muss man sich erst gewöhnen, denn „Umkehren“ war bisher nicht das erste Ziel der Logistik. Aber der Bedarf für Rückwärts- oder Rückführlogistik ist da und bietet ein neues Betätigungsfeld für Logistikschaffende. „Bei der Rückführlogistik geht es um die operative Umkehrung der ursprünglichen Lieferkette“, erläutert Rechtsanwältin Dr. Julia Hörnig, Expertin für nachhaltige Lieferkreisläufe und Circular Economy in der Hamburger Kanzlei Graf von Westphalen. „Man unterscheidet die Rückführung bei der Herstellung von Produkten, etwa Produktionsabfälle oder Palettenrücknahme. Daneben existieren sogenannte kommerzielle Rückführungen, etwa durch Produktrückrufe, und schließlich gibt es die Rückführungen aufgrund von Retouren durch Kunden.“
Gesetz als Treiber der Kreislaufwirtschaft
Oftmals wird die Rückführlogistik überhaupt erst durch die Ausübung gesetzlicher Rechte und Pflichten in Gang gesetzt: Ein Umtausch aufgrund des Widerrufsrechts des Käufers, eine Reparatur aufgrund einer Garantie des Verkäufers, der Rückruf eines unsicheren Produkts, die Entsorgung von Altgeräten nach den Abfallgesetzen. Was mit all den Rücksendungen zu geschehen hat, regelt das zentrale Kreislaufwirtschaftsgesetz. Es verlangt ausdrücklich die Erhaltung der Gebrauchstauglichkeit von Erzeugnissen und lässt deren Entsorgung nur als letzte Möglichkeit zu.
Logistikdienstleister können zur Kreislaufwirtschaft Tätigkeiten wie Prüfen, Sammeln, Sortieren, Lagern, Weiterverteilen beisteuern. Daneben reibungsloses Abwickeln von Retouren, ressourcenschonendes Verpacken, umweltverträgliches Transportieren. „Logistiker sind für eine erfolgreiche Rückführung von Produkten vom Nutzer zum Hersteller oder Aufbereiter essentiell, ohne sie wäre eine Rückführung operativ nicht umsetzbar“, betont Juristin Hörnig. „Sie können dabei selbst die Initiative ergreifen oder in ein vom Hersteller entwickeltes System eingebunden werden.“
Dabei ändert das Kreislaufwirtschaftsrecht nichts an der Rechtsstellung der Beteiligten. „Die Logistikdienstleister bleiben rechtlich immer das, was sie auch für die normale Lieferkette sind: Frachtführer, Lagerhalter oder Spediteur – und unter Umständen auch Abfallverwertungsdienstleister“, so Hörnig. Hinzu kämen aber abfallrechtliche Pflichten sowie spezifische Pflichten etwa aus dem Batteriengesetz oder dem Elektrogesetz.
Prüfpflichten im Online-Handel
Speziell im Online-Handel ist noch Luft nach oben, was das ressourcenschonende Retouren-Management angeht. Dem Kunden wird der Umtausch immer einfacher gemacht, etwa durch digital zur Verfügung gestellte Retouren-Labels.
Durch das Bereitstellen des Rücksendeetiketts und der Entgegennahme der zu retournierenden Ware durch den Paketdienst kommt ein Fracht- oder Speditionsvertrag mit dem Händler/Hersteller zustande. Damit liegt die Pflicht zur Prüfung, ob alle erforderlichen Beschriftungen und Informationen auf dem Paket enthalten sind und ob die Verpackung intakt ist, beim Frachtführer und nicht beim privaten Kunden. „Kommt die Ware beschädigt beim Händler/Hersteller an und war der Mangel an Verpackung oder Beschriftung offenkundig, kann das die Haftung des Frachtführers oder Spediteurs bedeuten“, warnt Anwältin Hörnig. Merke: Auch ein neues Geschäftsmodell muss sich mit altbekannten Rechtsvorschriften auseinandersetzen.
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