Automatisierte Anlagen weltweit sicher betreiben

Für mehr Effizienz setzen moderne Lagersysteme zunehmend auf digitale Prozesse. Die fördertechnischen Anlagen arbeiten somit automatisierter. Zugleich steigen weltweit die Sicherheitsstandards. Deshalb müssen Betreiber - besonders nach Modernisierungen - die gesetzliche und normative Konformität aller Maschinen und Komponenten sicherstellen. Wie das an unterschiedlichen Standorten gelingt, zeigt TÜV SÜD mit Prüfdienstleistungen für einen weltweit agierenden Marktführer der Branche.
Hochregallager mit Lastein-/
Lastausschleusstellen und Bühne.
Hochregallager mit Lastein-/ Lastausschleusstellen und Bühne.Bild: TÜV SÜD Industrie Service GmbH

In den USA, Europa und Australien übernahmen die Sachverständigen von TÜV SÜD Sicherheitsprüfungen in Intralogistikanlagen. Die Herausforderung: Verpackungsmaschinen, Stetigförderer und Regalbediengeräte kamen unter Bedingungen zum Einsatz, die sich teils stark unterschieden. Von hochtemperierten Logistikhallen bis zu Tiefkühllagern bei bis zu -26°C. Nicht alle mechanischen und elektronischen Sicherheitskomponenten waren auf die Temperaturen am Standort ausgelegt.

Die Prüfer stellten weitere Abweichungen fest: So waren etwa die Arbeits- und Verkehrsbereiche nur unzureichend gesichert: Teilweise fehlten Absperrungen, sodass es möglich war, über Lasteinschleusstellen in den Gefahrenbereich von Maschinen zu gelangen. Vor Hubgeräten waren die Sicherheitsabstände zu gering, mitunter erfüllten die Bodenmarkierungen nicht die Anforderungen. Auch stellte sich heraus, dass es potenzielle Scher- und Quetschstellen gab, etwa zwischen Paletten und Teilen des Förderers. Ins Visier nahmen die Sachverständigen ebenfalls Bühnen und Aufstiege: Idealerweise sind diese mit einer Absturzsicherung ausgerüstet, z.B. in Form einer Steigleiter oder eines Geländers.

Hochregallager mit Lastausschleusstellen und Schwerkraftrollenbahnen.
Hochregallager mit Lastausschleusstellen und Schwerkraftrollenbahnen.Bild: TÜV SÜD Industrie Service GmbH

Fachübergreifende Expertise

Zu den spezifischen Anforderungen der Standorte kam hinzu, dass viele Anlagen kürzlich modernisiert worden waren. Mit fortschreitender Technik steigen zugleich die Anforderungen an die Sicherheit der Anlagen. TÜV SÜD hat darauf bereits vor einigen Jahren reagiert: mit einem interdisziplinären Team, das technisch versiert ist und alle nationalen Normen und Bestimmungen kennt. Es unterstützt Hersteller bei Baumuster- und Abnahmeprüfungen und führt Sicherheitsbegehungen durch, sowohl vor Inbetriebnahme als auch wiederkehrend. Auf Grundlage der Sicherheitsbegehung können Betreiber die nach §3 Betriebssicherheitsverordnung geforderte Gefährdungsbeurteilung erstellen. Damit gewährleisten und dokumentieren sie, dass alle Arbeitsmittel sicher nach dem Stand der Technik verwendet werden.

Deshalb muss die Gefährdungsbeurteilung regelmäßig – etwa nach Änderungen von Normen, nach veränderter Nutzung oder nach Unfällen – überarbeitet und aktualisiert werden. Anhand ihres Ergebnisses legt der Betreiber fest, ob und in welchen Zeitabständen wiederkehrend geprüft werden soll. Er definiert auch die Qualifikation der zur Prüfung befähigten Person. In der Regel finden Prüfungen einmal jährlich statt. Gibt es Mängel, werden sie im Prüfbericht dokumentiert. Das erfolgt in 3 Stufen:

á Stufe 1: geringfügiger Mangel (Behebung bis zur nächsten Prüfung)

á Stufe 2: erheblicher Mangel (zeitnahe Behebung)

á Stufe 3: sicherheitsgefährlicher Mangel (Außerbetriebnahme bis zur Behebung)

Gesetzliche Grundlage

Europaweit orientieren sich Hersteller beim Inverkehrbringen ihrer Produkte an der Maschinenverordnung (MVO). Nachdem eine Maschine in Betrieb genommen worden ist, sind die Betreiber in der Pflicht, ihre Rechtskonformität regelmäßig nachzuweisen, u. a. mit einer Gefährdungsbeurteilung und wiederkehrenden Prüfungen. Grundlage dafür ist in Deutschland die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (BetrSichV). Darüber hinaus gelten in der Europäischen Union für viele Maschinengruppen verschiedene EN-Normen.

Dass die Intralogistik zunehmend komplexer wird, müssen auch die gesetzlichen Grundlagen Rechnung tragen: So hat die Norm EN 619:2022 für Stetigförderer und Systeme ihre Anforderungen an das Bereichskonzept angezogen. Ähnliches gilt für die Absicherung von Gefahrenbereichen gegen unbefugten Zutritt, z.B. über die Fördertechnik. EN 528:2021+A1:2022 zur Sicherheit von Regalbediengeräten reguliert seit der letzten Überarbeitung die Anwesenheit zusätzlicher Personen auf dem Hubwagen und die Überwachung der Geschwindigkeit. Die Mastleiter muss nun mit einem Auffanggerät mit fester Führung ausgerüstet werden. Die Europäische Kommission gibt darüber hinaus harmonisierte Normen in Auftrag, wie die Normenreihe EN 415 für die Sicherheit von Verpackungsmaschinen. Sie werden im Amtsblatt veröffentlicht.

Veraltete Intralogistikanlagen profitieren oft erheblich von Modernisierungen. So können Fehlbestände vermieden oder die Materialbeschaffung beschleunigt werden. Etwa mit einer neuen Sortieranlage, die vollautomatisch verschiedene Güter mit Barcode-Scanner erfasst, effizient sortiert und verteilt. Oder mit einem Upgrade der Software für die Lagerverwaltung: Dank maschinellem Lernen können moderne Programme den Lagerbestand in Echtzeit verfolgen und daraus Bestellvorschläge generieren, den optimalen Lagerplatz bestimmen, indem sie die effizienteste Route vorschlagen, oder die Zyklenzeiten aus dem Hochregallager anhand des Personal- und Produktbestands genau prognostizieren.

Auch Ausfälle lassen sich so besser abschätzen, sodass Maßnahmen zur Instandhaltung präventiv erfolgen können statt in regelmäßigen Abständen. Mit zahlreichen Maßnahmen können Betreiber so über die Jahre angestaute Probleme lösen, statt ihre Anlage stillzulegen oder in einen Neubau zu investieren.

Die Europäische Maschinenverordnung

Im Juli 2023 wurde die neue Maschinenverordnung final veröffentlicht und löst mit einer Übergangsfrist von 42 Monaten die aktuell gültige Maschinenrichtlinie 2006/42/EG zum 20.01.2027 ab. Sie hebt die alten Vorgaben auf Gesetzesrang und erweitert diese. So stellt sie erstmals Anforderungen an die Cybersecurity, z.B. von Systemen der Sicherheitssteuerung, und an die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI), etwa bei autonomen Fahrzeugen. Neu ist zudem die Pflicht zur Konformitätsbewertung für bestimmte Produktkategorien mit besonderen Risiken, wie selbstlernende oder teilweise selbstlernende Maschinen. Auch definiert sie, was wesentliche Veränderungen sind, die eine Neubewertung von Maschinen oder Anlagenteilen erfordern. Die neue Verordnung ist nicht länger nur für Hersteller und Inverkehrbringer relevant, sondern betrifft nun auch Händler und Betreiber von gebrauchten Maschinen.

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