Herausforderung Impfstoffversorgung

Die Logistik hinter der größten Impfkampagne aller Zeiten muss stimmen. Damit die raren Vakzine sicher vom Produktionsort in die Impfzentren kommen, sind beim Lagern, Umschlagen und Transportieren höchste Anforderungen zu erfüllen - von Gesetzes wegen sowie herstellerseitig.
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Auch wenn Corona vieles außer Kraft setzt: Die GDP-Guidelines für den V0ertrieb von Arzneimitteln behalten auch in Krisenzeiten ihre Gültigkeit, ja sind sogar nötiger denn je. Die ‚Good Distribution Practice of Medicinal Products for Human Use‘ gelten EU-weit und sind in Deutschland u.a. in der Arzneimittelhandelsverordnung (AM-HandelsV) verankert. Neben dem Arzneimittelgesetz regelt sie die Anforderungen hinsichtlich Lagerung, Qualitätssicherung, Dokumentation und Personal.

Gesetzliche und herstellerseitige Vorgaben

„Arzneimittel sind so zu lagern, dass ihre Qualität nicht nachteilig beeinflusst wird und Verwechslungen vermieden werden“, lautet der maßgebliche Grundsatz in § 4 AM-HandelsV. „Die EU-GDP heben insbesondere auf die Temperatursensibilität der Arzneimittel ab, was in der Praxis zu einer temperaturgeführten Logistik führt“, erläutert Wolfgang P. Albeck, Geschäftsführer von trans-o-flex Express, einem Spezialisten für Pharmatransporte. „Der Hersteller definiert dann die Lager- und Transportbedingungen, denn nur er – und die Zulassungsbehörde – kennt die Stabilitätsdaten seiner Produkte.“

Aktive und passive Kühlung

Was einfach klingt, wird in der Covid-19-Realität eine echte Herausforderung. Während das AstraZeneca-Vakzin „nur“ kühlkettenpflichtig ist, also bei 2 bis 8 Grad Celsius zu lagern und zu transportieren ist, sind die mRNA-Impfstoffe von Moderna und Biontech deutlich fragiler. Die Hersteller etwa des Biontech-Stoffs verlangen konstant -70 bis -80°C – Ultratiefkühlbereich also.

Für eine aktive Temperaturführung allein über die Raum- bzw. Fahrzeugtechnik sind das zu extreme Bereiche, hier kommen beim Lagern und Transportieren Passivverpackungen mit Kühlakkus oder Trockeneis zum Einsatz. Wobei das Handling mit Trockeneis besondere Vorsicht erfordert, denn das feste Kohlenstoffdioxid entzieht der Umgebungsluft Sauerstoff und kann bei unsachgemäßer Handhabung insbesondere in geschlossenen Lager- und Laderäumen Erstickungsgefahr verursachen.

Kontrolliertes Auftauen

Etwas einfacher ist die letzte Meile der Impfstoffbelieferung von den zentralen Lagern an die örtlichen Impfzentren oder Arztpraxen. Hier reichen auch Biontech 2 bis 8°C im Fahrzeug, denn das kontrollierte Auftauen während der Fahrt ist für die Aufbereitung des Stoffes, die im Impfzentrum noch geleistet werden muss, von Vorteil – baldiges Verimpfen vorausgesetzt.

Monitoring für den Schadens- und Versicherungsfall

Dass die volle Wirksamkeit eines Medikaments erhalten bleibt, kann lebenswichtig sein. Ein permanentes Monitoring der verschiedenen Temperaturzonen muss deshalb sicherstellen, dass die fragilen Vakzine unter allen Umständen thermisch konstant gelagert, verladen und auch transportiert werden. „Für jede Sendung wird automatisch ein Temperaturlebenslauf erstellt, der online verfügbar ist“, so trans-o-flex-Chef Albeck. „Dadurch kann beispielsweise auch bei einem Unfall nachvollzogen werden, wie lange die Sendung welchen Umgebungstemperaturen ausgesetzt war.“ Dann sei es Sache des Versenders, aufgrund der Stabilitätsdaten zu entscheiden, ob äußerlich unversehrte Produkte ausgeliefert werden dürfen oder nicht.

Auch für den Versicherer wird es in einem solchen Fall von Interesse sein, ob das Handling des Impfstoffs über die gesamte Vertriebskette GDP-konform verlaufen ist. Eine entsprechende Zertifizierung steht daher jedem Logistikpartner, der mit der Impfstoffversorgung beschäftigt ist, gut zu Gesicht.

Anja Falkenstein ist als Rechtsanwältin in Karlsruhe tätig und schreibt zu Themen an der Schnittstelle Logistik/Recht.

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