Elektrische Modifikation der Extra-Klasse

Mittels elektrischem Retrofit wird einem Chargierkran aus dem Jahr 1999 sprichwörtlich wieder neues Leben eingehaucht. Dieser anspruchsvollen und zeitlich streng limitierten Umbau-Herausforderung stellte sich Kranbau Köthen mit hauseigener Elektrotechnik-Kompetenz nur allzu gern.
 Krane 601 und 600 auf der Hilfskranbahn kurz vor dem Anheben des Kranes 601 und dem Kranpositionstausch.
Krane 601 und 600 auf der Hilfskranbahn kurz vor dem Anheben des Kranes 601 und dem Kranpositionstausch. Bild: Kranbau Köthen GmbH

Während ein gut dimensionierter und gefertigter Stahlbau bei einem Kran gut 25 bis 30 Jahre Lebensdauer ermöglicht, sind elektrische Umbauten – insbesondere innerhalb der Steuerungstechnik – in aller Regel nach 10 bis 15 Jahre notwendig. Grund dafür ist das hohe Entwicklungstempo der elektrischen Antriebs- und Steuerungskomponenten, die bereits nach dieser Zeit veraltet sind und es schwierig bis gar unmöglich wird, die passenden Ersatzteile am Markt zu beschaffen.

Kunde mit Geschichte

Der besagte Kran arbeitet im durchgehenden 3-Schichtbetrieb im Konverterstahlwerk von ArcelorMittal Eisenhüttenstadt. Der Kran sichert alle technologischen Transporte für täglich 25 bis 30 Chargen sowohl auf der Roheisenseite als auch auf der Schrottseite ab. Das in Brandenburg ansässige Hüttenwerk ist vielen in der Branche aus den 1990er Jahren noch als EKO Stahl bekannt und gehört jetzt schon viele Jahre zur ArcelorMittal Gruppe. Auch für Kranbau Köthen war das Projekt nicht das erste Aufeinandertreffen. Zu Zeiten unter der Firmierung EKO Stahl gab es bereits einige gemeinsam erfolgreich umgesetzte Kranprojekte. Umso mehr freute es die Köthener Kranbauer, dass nach so vielen Jahren wieder das Gespräch gesucht wurde und die Auftragsvergabe für sich entschieden werden konnte.

Ausgangslage und Planung

Wie eingangs erwähnt, handelt es sich bei dem Projekt um einen von der Firma MAN Takraf gelieferten Chargierkran aus dem Jahre 1999. Der Chargierkran in Vier-Träger-Ausführung mit einer Tragfähigkeit von 350t war aufgrund fehlender elektrischer Ersatzteile quasi nicht mehr nutzbar. Durch einen elektrischen Umbau sollte der in die Jahre gekommene Kran wieder zu einem leistungsfähigen Chargierkran werden. Das Besondere: der vorhandene Kran selbst blieb vor Ort. Deshalb lag die Lösung nahe, die neue Elektrik in einem zusätzlichen fünften Kranträger unterzubringen. Der neue E-Träger konnte dadurch als Einzelteil unabhängig vom Kran selbst von den erfahrenen Mitarbeitern der Kranbau Köthen Fertigung gebaut und die Schaltanlagen von der hauseigenen E-Technik eingebaut und vorinstalliert werden.

Der größte Aufwand war jedoch die gesamte Neuverkabelung des Krans inkl. der Installation von zwei neuen Kabelschleppanlagen und der Austausch der meisten Antriebsmotoren. Dies musste komplett vor Ort in sehr kurzer Zeit unter Baustellenbedingungen erfolgen.

Vor-Ort-Montage mit Tücken

Eine besondere Herausforderung im Rahmen des Auftrags war das Anheben des Krans und die Vor-Ort-Montage. Für die Umbaumaßnahmen vor Ort am Kran war zwar der ganze September 2021 reserviert. Allerdings blieb aufgrund der Komplexität des Projekts und mit dem kurzen Zeitfenster für das Anheben des Krans Ende August nicht viel Vorbereitungszeit. Nur für das Anbringen von Verstärkungen an den Kranträgern zur Gewährleistung von genügend Stabilität beim Anhebevorgang konnte ein zusätzlich vom Kranbetreiber zur Verfügung gestelltes Zeitfenster im Juni genutzt werden.

Die dabei zu hebende Last ist nicht mit der Last im Regelbetrieb vergleichbar – daher wurden vorab zwei Traversen unterhalb sowie seitliche Versteifungen am Kran angebracht. Diese zwei Traversen verfügen über eine Tragfähigkeit von 340t pro Traverse und sind extra von Kranbau Köthen für diesen speziellen Anhebevorgang entwickelt und gebaut worden. Denn es galt bei dieser Vier-Träger-Ausführung ungefähr 600t anzuheben. Und da wäre auch schon ein weiterer Knackpunkt – das Kraneigengewicht. Die Ungewissheit, ob das heutige Gewicht des Krans noch dem aus dem Baujahr von 1999 entspricht, stellte das Projektteam vor eine weitere Herausforderung. Das Vornehmen kleiner Anpassungen am Kran ist üblich über die Jahre hinweg- nur wurde zur damaligen Zeit vieles noch nicht so im Detail festgehalten wie es heute allgemein üblich. Daher haben sich die Kranbauer ein kleines Schlupfloch in Sachen Gewichtsreduktion gesucht – nämlich die Hilfskatze. Die Demontage der Katze machte den Chargierkran auf einen Schlag um rund 40t leichter, was dem Anhebevorgang mehr als zuträglich war. Die Katze wurde so während der Umbaumaßnahmen auf Montageböcken im Außengelände sicher zwischengeparkt. Der 40t leichtere Kran ließ sich dann problemlos mit zwei Mobilkranen anheben.

Für das Tausch-Manöver kam eine demontierbare Hilfskranbahn zum Einsatz, so dass der zu modernisierende Kran 601 mit dem Nachbarkran 600 im Außenbereich getauscht werden konnte. Die besagte Hilfskranbahn wurde für diesen Umbau als demontierbare Version errichtet, um so eine Wiederverwendung für in der Zukunft geplante ähnliche Projekte, unter anderem im Nachbarhallenschiff, sicherzustellen.

Minutiöse Projektplanung

Letztlich verlief das Anheben genau nach Plan und das ohne jedwede Zulage von etwaigen Balancegewichten o.ä. Dabei war minutiöse Vorausplanung durch die geübten Kranbauer der Schlüssel zum Erfolg. Während der besagte Kran mit Hilfe von zwei Gittermastmobilkranen LG 1750 sprichwörtlich in der Schwebe stand, wurde der Kran 600 zur Sicherstellung der Produktion im Werk unten durchgefahren. Am Kran 601 mussten dann alle Hitzeschutzbleche sowie die alte Kabine demontiert werden. Die neue Kabine bekam wie geplant eine Ortsveränderung unter dem neuen fünften Kranträger, um möglichst weit weg von der Hitze zu sein. Nachdem die Mitarbeiter vor Ort den angehobenen Kran wieder abgesetzt und die Traversen demontiert hatten, ist der neue E-Träger zur Kopplung vorbereitet worden.

Währenddessen haben weitere Monteure bereits in der Halle Vorbereitungen zur elektrischen Neu-Installation getroffen. In der ersten Montage-Woche haben die Kollegen vor Ort alles Mögliche draußen auf der Hilfskranbahn erledigt – dabei gut zu wissen: u.a. mussten auch Wasser- und Gasleitungen getrennt werden, die in der Halle verlegt und beim Herausfahren zum Störfaktor deklariert wurden. Damit waren alle mechanischen Hauptarbeiten des Kranumbaus im vorab geplanten Zeitrahmen erledigt.

Umbau im laufenden Produktionsbetrieb

Ab der zweiten Montage-Woche wurde demzufolge der komplette elektrische Umbau in der Chargierhalle bei laufendem Produktionsbetrieb fortgesetzt. Dieser erstreckte sich über drei Wochen im September 2021 und das im Zwei-Schichtbetrieb mit ungefähr zehn eingesetzten Monteuren pro Schicht in Zusammenarbeit mit der Firma KST. Viele Arbeiten konnten mit Hilfe der bauseits vorhandenen Reparatur- und E-Züge realisiert werden – darunter fällt u.a. auch der Austausch der alten Klimageräte gegen neue Klimatechnik für die neue Steuerung im fünften Kranträger. In diesem Zeitraum musste zudem die gesamte Verkabelung sowie Steuerungstechnik erneuert und die Öffnungen und Zustiege noch geschlossen werden. Die Hitzeschutzbleche wurden wieder neu montiert und alle Geber und Endschalter wurden erneuert und neu installiert. Weitere Erneuerungsmaßnahmen bestanden aus dem Aufbau neuer Beleuchtung und zwei neuen Kabelschleppanlagen mit Flammenschutz. Zusätzlich mussten weitere Klemmkästen angebracht und die Haupttrassierung vom E-Träger zum vorhandenen Kran neu ausgebildet werden.

Erfolgreicher Projektabschluss

Der mit dem Kunden gesteckte Zeitplan für dieses umfangreiche Umbauprojekt konnte zur Freude aller Beteiligten eingehalten werden. Nach erfolgreicher Inbetriebnahme und Probebetrieb läuft der Kran nach dem Ausmerzen einiger weniger Ausbesserungspunkte mittlerweile wieder im Regelbetrieb im Konverterstahlwerk bei ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt.

www.kranbau.de

Bezeichnung: Umbau eines Chargierkran von 1998

Parameter: 350-65(80)/32t x 26,5m

Kunde: Arcelor Mittal Eisenhüttenstadt

Land: Deutschland

Umsetzungszeitraum: 2020 bis 2021?

Investitionshöhe: ca. 4,5Mio. Euro – davon 3,0Mio. Euro für den Kranumbau

Elektrischer Umbau mit Anbringung eines zusätzlichen E-Trägers, der die Schaltanlage zur Steuerung des Krans enthält; zusätzlich noch neue Kabine, Kabinenschacht, Stromabnehmerpodest, Kabelschleppen, Kabel, Geber, Messbolzen sowie teilweise neue Antriebsmotoren und Klimatechnik.

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