Griff nach dem Unbekannten

Robuste und flexible Roboterautomation werden auch in der Logistik immer wichtiger. Ein modulares Plug&Play-Softwareprodukt für Robotik-Assistenzsysteme hat jüngst die Firma Fizyr entwickelt. Die verwendete Bildverarbeitungslösung des Vision-Spezialisten IDS ermöglicht den flexiblen Einsatz in unterschiedlichsten Bereichen.
 Das System segmentiert zuverlässig unbekannte Pakete, selbst bei schwierigen Lichtverhältnissen.
Das System segmentiert zuverlässig unbekannte Pakete, selbst bei schwierigen Lichtverhältnissen.Bild: IDS Imaging Development Systems GmbH

Die globale Pandemie hat enorme Auswirkungen auf die Logistikbranche mit sich gebracht. Neben zunehmendem Rohstoffmangel, fordert der Ausfall von Arbeitskräften und die unsichere, zuweilen sehr wellenartige Auftragslage hohe Flexibilität der Unternehmen. Mit robotergestützter Automatisierung gelingt es, diesen Herausforderungen zu begegnen, wie eine innovative Lösung des Unternehmens Fizyr zeigt. Das niederländische Softwarehaus hat ein modulares Plug&Play-Softwareprodukt für Robotik-Assistenzsysteme entwickelt. Das Besondere: Die genutzte Bildverarbeitungslösung des Vision-Spezialisten IDS ermöglicht den Einsatz in unterschiedlichen Anwendungsbereichen, wie der Kommissionierung von Gegenständen, Handhabung von Paketen, Depalettierung, Entladung von Lastwagen oder der Gepäckabfertigung.

Mit 2D und 3D zur individuellen Automatisierung

Um die Verwendung der Automatisierungslösungen in rauen Logistikumgebungen zu gewährleisten, müssen die eingesetzten Industriekameras eine zuverlässige und präzise Bilderfassung in möglichst vielen Umgebungssituationen sicherstellen. Da die Qualität der Bilderfassung direkt von den Lichtverhältnissen der Szene und der Oberflächenbeschaffenheit der Objekte abhängt, ist das Auffinden und Berechnen der Koordinaten von entsprechenden Punkten auf weniger strukturierten oder reflektierenden Oberflächen sehr schwierig.

Je nach individueller Kundenanwendung kommen daher bis zu fünf Ensenso 3D-Kameras in Kombination mit leistungsstarken GigE uEye CMOS-Kameras zum Einsatz. Gemeinsam liefern sie die nötigen Daten, die die Software-Algorithmen von Fizyr in die Lage versetzen, über 100 Greifposen pro Sekunde auszuführen.

Die Software führt darüber hinaus Qualitätskontrollen durch und erkennt Fehler. Die Algorithmen ermöglichen es, alle relevanten Informationen zur Segmentierung und Klassifizierung der Paketart (ob Schachtel, Beutel, Umschlag, Rohr oder Zylinder) zu liefern. Das System erkennt Ausreißer oder nicht transportfähige (d.h. beschädigte) Güter, bestmögliche Greifposen in sechs DoF (degrees of freedom) und mehrere Positionen pro Objekt. Es ermöglicht Sensoren oder Robotern den Umgang mit eng gestapelten oder sich überlappenden Objekten, stark reflektierenden Gegenständen und Textilien in Polybeuteln, weiß-auf-weiß und schwarz-auf-schwarz-Flächen sowie transparenten Objekten.

Jedes Objekt ist gern gesehen

Die Kombination aus 2D und 3D Kameras sorgt für die nötige Klassifizierung, um verschiedenste, auch unbekannte Objekte unterschiedlich handhaben zu können. Die uEye CP-Kamera nimmt 2D-Bilder der zu behandelnden Objekte auf und stellt diese als Input für die Algorithmen zur Verfügung, die die Objekte unter der Kamera klassifizieren. Die Objekte können in Form, Größe, Farbe, Material und Position völlig variieren. Die Ensenso-Kamera wiederum erstellt eine 3D-Punktewolke, in der alle relevanten räumlichen Objektinformationen enthalten sind. Die eigens von Fizyr entwickelte Software kombiniert diese mit den Informationen aus dem 2D-Bild, analysiert die Oberfläche im Hinblick auf geeignete Positionen für einen oder mehrere Greifer und schlägt die besten Greifpositionen vor. Das Stereo Vision Verfahren der Ensenso 3D-Kameras ermöglicht dabei eine sehr präzise Objektdarstellung, auch bei Materialien mit wenig texturierten oder spiegelnden Oberflächen. Alle Ensenso-Kameras sind hierfür mit einem lichtstarken Projektor ausgestattet, der mittels einer Pattern-Maske eine kontrastreiche Textur auf das abzubildende Objekt projiziert und somit die auf dessen Oberfläche nicht oder nur schwach vorhandenen Strukturen ergänzt. Das Ergebnis ist ein plastischerer Eindruck der Szene. Dies stellt eine Schlüsselkomponente für die Software dar, welche so auf eine höhere Qualität der Tiefeninformationen sowie präzisere Messergebnisse zurückgreifen kann.

Die spezifischen Kameramodelle sowie die Anzahl der Kameras pro System hängen vom individuellen Anwendungsfall ab. Für eine typische Bin-Picking-Lösung mit einem Cobot wird beispielsweise eine Ensenso N35 in Kombination mit einer GigE uEye CP eingesetzt. „Der bisher häufigste Anwendungsfall für Fizyr ist die Verwendung je einer uEye-Kamera und einer Ensenso 3D-Kamera pro System, aber es gibt keine Einschränkungen“, erklärt Herbert ten Have, CEO bei Fizyr.

Kommissionierung der Zukunft

Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Modulen für automatische Kommissionierzellen wächst weltweit. Gleichzeitig sind die Anforderungen von Systemintegratoren an Soft- und Hardwarekomponenten gestiegen. Die Fizyr-IDS-Lösung gibt Antwort auf diese Herausforderungen: Als Plug&Play-Lösung entwickelt, ermöglicht sie eine einfache Integration in jedes bestehende System. Kunden können diese somit individuell nach den Bedürfnissen ihrer Kommissionierungsanlage einsetzen und jederzeit flexibel anpassen. Mit Hilfe der leistungsfähigen Industriekameras gelingt für jeden Anwendungsfall eine optimale Objekterfassung als Grundlage für die Roboterautomation.

www.ids-imaging.de

von Dr. Martin Hennemann, Produktmanager 3D & Vision Software bei IDS Imaging Development Systems

Welche Rolle spielt 3D Vision für die Automatisierung industrieller Prozesse?

3D-Bildverarbeitung ist definitiv ein wichtiger Treiber. Sie versetzt Roboter in die Lage, ihre Umgebung zu analysieren und selbständig auf unterschiedliche Gegebenheiten zu reagieren. Dadurch ermöglicht sie einerseits die Automatisierung von Anwendungen, die bisher nur von Menschen erledigt werden konnten, und erschließt zudem komplett neue Anwendungsszenarien. Benutzerfreundliche Software und neue, industrietaugliche 3D-Kameras im unteren Preissegment tragen außerdem dazu bei, dass die Technologie auch in der Breite immer stärker eingesetzt wird.

Welche Anwendungen profitieren besonders von 3D-Kameratechnik?

Die Einsatzmöglichkeiten sind äußerst vielfältig. In der Logistikautomation können 3D-Kameras Paletten erfassen, Pakete analysieren und Warenbewegungen verfolgen. Bei autonomen Fahrzeugen helfen sie zu erkennen wenn etwas den Weg versperrt. 3D-Informationen sorgen außerdem dafür, dass Objekte durch einen Roboterarm richtig gegriffen, kollisionsfrei ans Ziel gebracht und korrekt abgelegt werden.

Macht 3D den Einsatz von 2D-Kameras in der Robotik damit überflüssig?

Jede Technologie hat ihre Vorteile. 3D-Kameras ermöglichen Robotern das räumliche Sehen und statten sie mit „visuellem Gespür“ aus, damit sie adaptiv auf ihre Umgebung reagieren können. Viele Anwendungen profitieren andererseits von präziser Farb- und Kantendetektion, oder erfordern das Lesen von Strichcodes – hier spielen 2D-Kameras ihre Stärken aus. So verwenden Automobilhersteller Prüfverfahren mit kombinierter 3D- und 2D-Technik etwa in der Endkontrolle, um Spaltmaße an einer fertig montierten Karosserie zu finden und genau nach Vorgaben zu messen. Bei IDS bieten wir mit dem Ensenso 3D- und uEye 2D-Portfolio eine breite Auswahl an Kameras für unterschiedlichste Anwendungen.

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