Doppeltes Lottchen fürs Lager

Um beim Auf- oder Umbau von Anlagen den laufenden Betrieb beim Kunden möglichst wenig zu beinträchtigen, unterstützen virtuelle Nachbildungen des Logistiksystems bei Planung und Vorabtests. Im Zusammenhang mit Industrie 4.0 wird gerne vom digitalen Zwilling gesprochen. Doch, lassen sich komplexe Logistikanlagen zum jetzigen Zeitpunkt bereits digital in einem einzigen Modell so nachbilden, dass sie zur Visualisierung, Planung, Simulation, zum Softwaretest, zur Mitarbeiterschulung, als Leitstand und zur Betriebsunterstützung dienen können? Die ehrliche Antwort lautet nein.
 Vision digitaler Zwilling: Er begleitet den 
physischen Zwillingsbruder von der Planung bis zur Instandhaltung der Anlage.
Vision digitaler Zwilling: Er begleitet den physischen Zwillingsbruder von der Planung bis zur Instandhaltung der Anlage.Bild: Unitechnik Systems GmbH

Die Erstellung eines umfassenden digitalen Zwillings für eine individuelle Industrieanlage erscheint zurzeit wirtschaftlich nicht vertretbar zu sein. Dennoch wird der digitale Zwilling in der Logistikpraxis im Rahmen der heutigen Möglichkeiten erfolgreich eingesetzt: Systemintegrator Unitechnik setzt auf mehrere Spezialzwillinge statt einem Alleskönner und nutzt verschiedene Modellvarianten während der Planung und Realisierung einer Logistikanlage.

Virtual Reality Modell für die Vertriebs- und Planungsphase

Zunächst erfolgt über ein CAD-Programm die Konstruktion des Logistiksystems, bestehend aus Lager, Fördertechnik, Arbeitsplätzen und Maschinen. Wenn die Planung einen gewissen Reifegrad hat, lohnt es sich die CAD-Zeichnung in ein VR-Modell zu überführen. Dadurch erhält der Kunde einen realitätsnahen und räumlichen Eindruck von der Logistikanlage. Er steht virtuell in seiner neuen Halle und kann diese begehen, statt von außen auf ein theoretisches Lagerlayout zu schauen. In einem zweiten Schritt lassen sich Förderer in Bewegung setzen und Arbeitsplätze interaktiv gestalten. In der virtuellen Lagerumgebung können beispielsweise die zukünftigen Kommissionierplätze realitätsnah und interaktiv dargestellt werden. „Das Virtual-Reality-Modell ermöglicht es uns, für den Kunden via VR-Brille den geplanten Lageraufbau erlebbar zu machen“, erläutert Michael Huhn, Vertriebsleiter und Prokurist bei Unitechnik Systems. Mitarbeiter können ihren zukünftigen Arbeitsplatz ausprobieren und wertvolle Hinweise für dessen Optimierung geben. Durch den Einsatz des digitalen Zwillings lassen sich Gefahrenpotentiale für die Mitarbeiter frühzeitig ausschließen und die Ergonomie ihrer Arbeitsplätze lässt sich verbessern.

Simulation als Planungswerkzeug

Im nächsten Planungsschritt lässt sich die Leistungsfähigkeit eines Entwurfs überprüfen. Das ermöglicht die Simulation der Anlage. Dabei ist das Aussehen der geplanten Anlage zweitrangig. Die Darstellung ist meist sehr rudimentär, bzw. schematisch. Die entscheidende Frage ist vielmehr: Wie lange braucht ein Ladungsträger von A nach B? Die Szenarien werden mithilfe der Simulation für alle möglichen Start- und Endpunkte entlang der Materialflusskette getestet. Dann wird das Modell mit einem angenommenen Auftragsmix versorgt. So kann die Leistungsfähigkeit eines Layouts gemessen werden. Erkannte Engpässe können bereits in der Planungsphase korrigiert werden.

Emulator als Testumgebung für die Softwareentwicklung

Sobald das grundlegende Layout der Anlage steht und die Gewerke ausgewählt sind, wird mit der Emulation begonnen, um den Programmierern bereits vor der physischen Montage ein Testszenario zur Verfügung zu stellen. So kann die Software bereits in einem frühen Projektstadium geschrieben und die Steuerung ohne Maschine und Fördertechnik geprüft werden – inklusive Änderungen an der Software, ohne die reale Anlage zu belasten.

Das genaue Aussehen der Anlage ist dabei ebenfalls nebensächlich. Um die Steuerungssoftware zu testen, muss jeder Sensor und jeder Motor im Modell abgebildet sein. Die Steuerungssoftware erweckt den Emulator quasi zum Leben. Ist das Modell steuerungstechnisch fertig, können auch Materialflussrechner und Lagerverwaltungssystem mit dem Modell getestet werden. Am Ende bilden der Emulator, die Steuerungssoftware und die IT-Systeme einen perfekten funktionalen digitalen Zwilling. Er verhält sich genauso wie die reale Anlage.

Indem der digitale Zwilling verschiedenste Szenarien in umfangreichen Vorabtests visualisiert, werden letztendlich Risiken wie Produktionsausfälle oder Anlagenstillstände minimiert. Testweise erhält das System beispielsweise vom Lagerverwaltungssystem einen Fahrauftrag. Im virtuellen Logistikzentrum fährt daraufhin das Regalbediengerät (RBG) los und holt die Ware. Die Fördertechnik bewegt die Palette in Richtung Kommissionierplatz. Neben dem Materialfluss simuliert der Emulator sogar das Verhalten der Menschen, die an der Anlage arbeiten. Über die Visualisierung am Bildschirm kann der Beobachter diese Bewegungen live nachvollziehen. „Das ist so, als ob man durch ein Fenster in die reale Anlage blickt“, verdeutlicht Michael Huhn das Erscheinungsbild. Optimierungen an der Programmierung lassen sich so vor der realen Inbetriebnahme umsetzen.

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