Auf dem Weg zum Leuchtturm

Die Idee, ein Fahrerloses Transportsystem mit einem Leichtbauroboter zu kombinieren, ist beileibe nicht neu. Entsprechende Lösungen werden auch bereits als marktreif vorgestellt. Neu ist hingegen, das Ganze auf Lowcost-Level umzusetzen. Diesen Plan hegt Igus - und wieder einmal sind dessen Dimensionen ziemlich groß, wie der Robotik-Verantwortliche, Alexander Mühlens, im Gespräch mit ROBOTIK UND PRODUKTION verrät.
Unser Leuchtturm ist ein 
mobiler Roboter, der sogar eigenständig ein Büro aufräumen könnte.
Unser Leuchtturm ist ein mobiler Roboter, der sogar eigenständig ein Büro aufräumen könnte.Bild: Igus GmbH

AGVs mit Cobot on Top: Das klingt nach allem anderen als Lowcost?

Alexander Mühlens: Bis dato ist das korrekt. Für viele mittelständische Betriebe sind allein AGVs bzw. AMRs finanziell schlecht abzubilden – so das Feedback, das wir bekommen. Auf dem Markt verfügbare Modelle starten laut unseren Analysen bei rund 25.000 Euro. Soll es eine Lösung mit integriertem Roboterarm sein, geht es ab 70.000 Euro los. Im Education-Bereich vielleicht schon ab 50.000 Euro. Hinzu kommen dann weitere Kosten für Leitsoftware, Flottenmanagement oder infrastrukturelle Umbauten. Kurzum: Das ist schwer finanzierbar für KMUs und daher nicht umsetzbar. Der Markt ist also weit weg von einem flächendeckenden Einsatz solcher AGV/Cobot-Kombis. Deswegen will sich Igus dieser Situation annehmen.

Bild: Igus GmbH

Mit einer Lowcost-Lösung?

Richtig. Die Idee dafür geistert schon lange in unseren Köpfen. Der erste Entwurf vor zwei Jahren mit dem Namen AGV Buttler war noch mit Robolink-Roboterarmen ausgestattet. Mittlerweile setzen wir natürlich voll und ganz auf unseren Rebel-Cobot. Was mögliche Anwendungen angeht, haben wir schon eine Menge Ideen – und auch einiges an Erfahrung gesammelt. Schließlich testen wir seit rund vier Jahren AGV-Anwendungen im eigenen Haus auf Herz und Nieren. So etwa fahrerlose Regale, die in unseren Büros Post und andere Lieferungen ausfahren. Oder rund 30 mobile Roboter, die in der Fertigung unterwegs sind, um schnelle Transporte oder Drehstapelbehälter zu Ihren Lagern bringen. Sozusagen als Feuerwehr für die schnelle und flexible Versorgung von Arbeitsplätzen mit bestimmten Bauteilen.

Wie sieht Ihre Roadmap für eine integrierte Lowcost-Lösung aus?

Wir haben eine hochflexible und multifunktionale Lösung als Leuchtturmprojekt definiert: Ein mobiler Roboter mit integriertem HMI und Vision, der sogar eigenständig ein Büro aufräumen könnte. Step by step sollen auf dem Weg dorthin verschiedene Systeme entstehen. Den Start macht eine komplett abgespeckte Variante für den Education-Bereich, die wir unter 10.000 Euro anbieten wollen – wohlgemerkt inklusive Roboterarm. Für dieses Modell gibt es bereits sehr großes Interesse, gerade im Bereich der Ausbildung.

Mit welcher Technik soll dieses Preislevel realisierbar sein?

Die Basis bildet unsere hauseigene Robot-Control-Steuerung. Essenziell wichtig ist es dabei aus meiner Sicht, dem Anwender alle Freiheiten der Programmierung zu bieten. Das tun wir, indem wir alle nötigen Treiber zur Verfügung stellen, z.B. für ROS, Java oder Unity. Über ein SDK für Python kann der Anwender ebenfalls eigene Programme schreiben, Funktionen ergänzen oder Hardware wie Sensoren oder Kameras einbinden. Um das 10.000-Euro-Ziel erreichen zu können, müssen wir aber konsequent nach dem Bottom-to-top-Ansatz vorgehen. Das bedeutet: Bauteile wie klassische Sicherheits-Laserscanner sind im Grundpaket nicht dabei. Denn diese Komponenten würden den preislichen Rahmen komplett sprengen. Wir stellen dennoch sicher, dass man unsere Lösung unkompliziert für industrielle Anforderungen nachrüsten kann. Beispielsweise beachten wir so weit möglich auch alle Vorgaben der VDA5050. Ein wichtiger technischer Aspekt ist zudem der passende Greifer.

Inwiefern?

Die vielen Greifer auf dem Markt sind für unser Vorhaben häufig ungeeignet. Denn je breiter der Aufgabenbereich für den mobilen Roboter sein soll, umso größer müssen Hub und Verfahrweg des Greifers sein. Solche Modelle gibt es zwar, aber mit denen ist man sofort wieder bei Preisen von mehreren Tausend Euro. Das passt für unser Konzept einfach nicht. Deswegen haben wir einen Lowcost-Greifer entwickelt, der einen großen Hub bzw. langen Verfahrweg sowie viel Flexibilität beim Greifen unterschiedlicher Geometrien mitbringt. Er wird aktuell im Dauerbetrieb bei uns getestet.

Wann sind die ersten Lowcost-AGV/Cobot-Lösungen verfügbar?

Auf der Hannover Messe werden wir neben dem Education-Modell voraussichtlich auch schon die nächsten Ausbaustufen in Aktion zeigen. Die Idee hinter unserem Leuchtturmprojekt wollen wir ebenfalls erstmals groß vorstellen. Wir sind sehr gespannt, wie das Feedback der Messebesucher dazu ausfallen wird. Darüber hinaus präsentieren wir in Hannover mit Partnern der RBTX-Plattform noch weitere AGV/Roboter-Kombinationen – ausgerichtet auf unterschiedliche Vorteile und Einsatzbereiche.

Welche Bereiche sollen die Igus-Lowcost-Lösungen primär ansprechen?

Wir zielen auf einfache Aufgaben ab, die sich auf viele potenzielle Anwender skalieren lassen. Denn oft sind gar keine komplexen und weiten Routen nötig, um große Vorteile zu erzielen. Stattdessen reicht es, relativ kurze Strecken zu automatisieren, auf denen Bauteile oder Werkzeuge von A nach B gebracht werden. Bisher werden dafür in aller Regel AGVs ohne integrierte Kinematik genutzt. Besser wäre es natürlich, wenn die mobilen Einheiten ihre Ladung selbst greifen und ablegen können. Unsere Ideen gehen hier über den klassischen Industriebereich weit hinaus.

Zum Beispiel?

Im eigenen Haus würden wir die Lowcost-AGVs mit Roboter gerne dafür einsetzen, frischen Kaffee zu unseren Mitarbeitern zu bringen. Auch Reinigungsaufgaben wollen wir auf diese Weise lösen. Bislang kümmern sich einige Igus-Mitarbeiter den ganzen Tag nur um die stationären Kaffee-Automaten. Dutzende Mitarbeiter sind permanent dabei, die Fertigung sauber zu halten. All diese Menschen würden wir natürlich gerne für spannendere Aufgaben einsetzen. Sicherlich werden wir uns auf dem Weg dahin noch vielen Real-Life-Problemen stellen müssen – aber an und für sich sind das einfach zu lösende, sich schnell amortisierende Anwendungsfälle.

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