Zentralisierter Werkstransport

Mit der Optimierung ihrer mehrstufigen Transportketten durch Syncrotess hebt MTU Aero Engines in München die interne Liefertreue von 89 auf 93 Prozent. Die langjährige Arbeit mit dem KI-basierten System von Inform hilft dem Unternehmen, der steigenden Komplexität in der Logistik Rechnung zu tragen. Zusätzlich kommt mit Syncrosupply eine Cloud-basierte Lösung für Zeitfenstermanagement und Lkw-Zulaufsteuerung zum Einsatz, um Durchlaufzeiten zu reduzieren und die Transparenz über den Inbound-Verkehr zu steigern.
Als zentrales logistisches System berechnet Syncrotess von Inform dynamisch in Echtzeit optimierte Abwicklungsreihenfolgen für Stapler, Elektrowägen, Hängertransporte und andere Fördermittel.
Als zentrales logistisches System berechnet Syncrotess von Inform dynamisch in Echtzeit optimierte Abwicklungsreihenfolgen für Stapler, Elektrowägen, Hängertransporte und andere Fördermittel.Bild: MTU Aero Engines

Nicht weniger als 560.000 Transportaufträge jährlich wickelt das Transportleitsystem des Aachener Optimierungsspezialisten Inform beim Triebwerkhersteller MTU Aero Engines (MTU) ab. Zwischen 2020 und 2022 ist die Anzahl der Aufträge, u.a. bedingt durch steigende Produktionsvolumina, um über ein Viertel gestiegen. Seit Jahrzehnten fungiert Syncrotess bei der MTU in München als Single-Source-of-Truth des internen Werkstransports. Um wechselnde Anforderungen an die Logistik abzudecken und neue Funktionalitäten einzuführen, entschied sich die MTU 2019 im Rahmen eines internen Modernisierungsprojekts, das System auf die neuste Produktversion 10 zu heben und Syncrosupply neu einzuführen.

Bereits seit 1993 besteht eine Zusammenarbeit zwischen dem Softwareunternehmen und der MTU, die Triebwerke die zivile und militärische Luftfahrt entwickelt, herstellt und instand hält. Da in der Branche hohe Sicherheitsanforderungen gelten, betreibt das Unternehmen das Cloud-fähige Transportleitsystem intern on-premise. Bei der Einführung der externen Lkw-Zulaufsteuerung konnte man sich aber für einen Betrieb in der Cloud entscheiden.

Planung in Echtzeit

Als zentrales logistisches System berechnet Syncrotess dynamisch in Echtzeit optimierte Abwicklungsreihenfolgen für Stapler, Elektrowägen, Hängertransporte und andere Fördermittel. Sobald das System einen Auftrag registriert – 99 Prozent werden im ERP-System erzeugt -, sich eine Veränderung oder Störung zeigt, plant das System binnen Sekunden um. Die Algorithmen planen dabei auf Basis aller erfassten Aufträge und real verfügbaren Ressourcen; bei der MTU um die 30 Fahrzeuge gleichzeitig. Ihre Optimierung ordnet die Aufträge Fahrzeugen so zu, dass ihre Abwicklung bestmöglich mit gemeldeten Auftragsprioritäten, Terminen, Ladekapazitäten und kurzen Wegstrecken synchronisiert ist, sowie eine gute und gleichmäßig über den Tag verteilte Auslastung erreicht wird.

Als eines der wichtigsten Auswahlkriterien für das Transportleitsystem von Inform galt die Fähigkeit, mehrstufige Transportketten wie z.B. hallenübergreifende Lager- und Hoftransporte oder standortübergreifende Transporte innerhalb der internen Supply Chain abzubilden. Die MTU realisierte damit in den ersten Jahren nach der ursprünglichen Einführung Kosteneinsparungen von rund 30 Prozent im Transportbereich und einen ROI von weniger als einem Jahr. Der Umfang und die Komplexität der Planung sind seither jedoch enorm gestiegen: Statt ehemals 60 werden heute über 400 Positionen in der Planung berücksichtigt. Seither wurde die Produktionslogistik beispielsweise um Transporte über verschiedene Fertigungsebenen oder die Anbindung eines vollautomatischen Hochregallagers erweitert. In den letzten Jahren kamen noch einige kleinteilige Prozesse hinzu.

Intralogistik für die Zukunft aufgestellt

Das Transportvolumen sei in den letzten Jahren sehr gestiegen, sagt Florian Wohlgemuth, Projektmanager Logistikplanung bei der MTU in München. Verschiedene Treiber haben dazu geführt: ein erhöhtes Produktionsvolumen, aber auch die Ausweitung der algorithmischen Planung mit den Systemen von Inform. So wurden beispielsweise verschiedene externe Standorte nach und nach angebunden und neue Transportprozesse abgebildet. Dazu zählen z.B. Kleinteiletransporte, Transporte ab Werkzeugausgabe, das Auffüllen von Gasflaschen, Archivfahrten oder der interne Warenbringdienst.

„Unser Ziel war es, auch in diesen neu angebundenen Prozessen die Transparenz zu erreichen, die wir mit Syncrotess in der Produktionsversorgung etabliert haben“, sagt Wohlgemuth. Zum Modernisierungsprojekt der MTU zählte aber auch der Ausbau der WLAN-Verfügbarkeit im ganzen Werk. Statt über das alte Schmalbandfunknetz und schwarz-weiße Monitore erhalten Staplerfahrer jetzt Transportaufträge von Syncrotess über WLAN an modernere, mobile Endgeräte mit erhöhter Usability. Die von Inform entwickelte App „Site-Logistics“ zeigt Fahrern, welchen Auftrag sie als nächstes fahren sollen. Gerade für neue Mitarbeitende sei die App hilfreich, da sie über eine mit Open-Street-Map erstellte Karte Start- und Zielpositionen, das Verkehrsnetz und sinnvolle, mögliche Routen einsehen können, so Wohlgemuth. Auch die Scanprozesse wurden durch die App erleichtert, was für die durchgängige Nachverfolgbarkeit des Materials wichtig ist. Sie finden jetzt über dieselben mobilen Endgeräte statt. Und lässt sich ein Auftrag doch nicht durchführen, spart das Unternehmen durch die App unnötige Mehrfahrten, da auch die manuelle Löschung eines Auftrags sofort übernommen und einbezogen wird.

„Mit unseren Modernisierungsmaßnahmen ermöglichen wir mobile Scanprozesse für die Kleinteilprozesse und eine bessere Nachverfolgbarkeit über alle Prozessschritte“, ergänzt er. „Anfragen, wo ein bestimmter Transport bleibt oder sich Material gerade befindet, gehen heute gegen Null. Dazu haben wir ein digitales Track&Trace-System auf Shopfloor-Ebene mit dem Transportleitsystem kombiniert.“ Durch die neuste Version von Syncrotess geht auch die Anpassung von Stammdaten und Optimierungsparametern noch deutlich leichter von der Hand. Die Planung wurde feiner, indem sich bestimmte Ressourcen beispielsweise auf bestimmte Bereiche begrenzen lassen. Wurde früher eher auf die Reduzierung von Wegen geachtet, gilt heute die Einhaltung der Liefertreue, vor allem in Richtung Versand, als oberstes Gebot. Mit den Neuerungen ließ sich die interne Liefertreue von 89 Prozent im Jahr 2020 trotz höherer Komplexität und gestiegener Volumina auf 93 Prozent in 2022 steigern.

Als nächstes testet die MTU, fahrerlose Transportsysteme (FTS) verschiedener Hersteller im Innen- und Außenbereich des Münchener Werks über das System von Inform zu steuern. Die Vision ist ein optimierter Gemischtbetrieb von menschlich gesteuerten Staplern und FTS, deren Transportfolgen in einem System integriert geplant werden. Darüber hinaus soll sich die Qualität der Stammdaten weiter verbessern. Die neuste Version von Syncrotess brachte der MTU ein neues Simulationsmodul, in dem sich Stammdatenänderungen unter Berücksichtigung der Konsequenzen für unterschiedliche Kennzahlen, etwa Durchlaufzeiten, simulieren lassen. Manuell sei die Auswirkung solcher Änderungen im immer größeren Verkehrsnetz nur noch schwer zu überblicken. Im Laufe von 2023 möchte Wohlgemuth damit an der Reduzierung von Leerfahrten weiterarbeiten und auch auf Nachhaltigkeit in der Logistik durch schonende Ressourcennutzung fokussieren.

Optimierung an der Rampe

Der eingehende Lkw-Verkehr von rund 500 Dienstleistern erreichte die MTU in der Vergangenheit vor allem geballt vormittags, insgesamt rund 60 Anfahrten pro Tag an vier Rampen. Anlieferspitzen stellten das Unternehmen vor logistische Herausforderungen, die in Pausenzeiten zu Wartezeiten bei den Lkw-Fahrern führten. Da es außerdem Baustellen auf dem Werksgelände gibt, das Verkehrsaufkommen im Werk reduziert werden soll und eingehende Speditionen bestimmte Anmelde- und Sicherheitsprozesse durchlaufen müssen, musste die Wartezone für Lkw auf die Straße außerhalb des Werksgeländes verlegt werden. Um die Auslastung am Wareneingang homogener über den ganzen Tag zu verteilen, Warte- und Durchlaufzeiten zu reduzieren, aber auch durchgängige Transparenz zu schaffen, entschied sich die MTU für Syncrosupply von Inform.

„Das System dient sowohl der Buchung und Planung von Zeitfenstern für eingehende Lkw als auch einer optimierten Zuweisung dieser an die richtige Rampe“, erzählt Matthias Wurst, Director Business Development Manufacturing Logistics bei Inform. „Jeder Wareneingang ist von nun an mit einer Fahrt im System hinterlegt. Speditionen und ihre Subunternehmen, die MTU regelmäßig anfahren, melden sich über ein web-basiertes Portal an, um ihre Fahrt anzukündigen, Daten über die Fracht zu übermitteln und ein passendes Zeitfenster zu buchen.“ Besonders für vertragliche Lieferanten ist das attraktiv, die Stückgut anliefern und Wartezeiten vermeiden wollen, da sie am gleichen Tag noch andere Kunden anfahren. Wer spontan an der Pforte erscheint, bekommt vor Ort ein Zeitfenster zugewiesen. Das lässt sich nicht in allen Fällen vermeiden, da viele Speditionen die MTU nur ein einziges Mal oder sehr selten anfahren. Insgesamt plant Wohlgemuth jedoch, den Anteil der vorher gebuchten Zeitfenster auf 50 bis 60 Prozent zu erhöhen. Ebenso ist eine automatisierte Zeitfenstervergabe geplant.

Neben der geplanten Entzerrung, die kurz nach Einführung des Systems im Jahr 2021 schon deutlich spürbar war, generiert das Unternehmen auch zunehmend mehr Daten über den Inbound-Verkehr, die sich in Zukunft beispielsweise für Auskünfte an Behörden, Auslastungsprognosen oder die bedarfsgerechte Bereitstellung von Staplern und Fahrern nutzen lassen. Wer sein Zeitfenster erhalten hat, kann sich an einem Self-Check-In-Terminal anmelden, das mit dem System von Inform verbunden ist. Es folgen Identitäts- und Sanktionslistenprüfungen, bevor der Fahrer mit einem Pager in den Lkw zurückkehren darf. Ist die richtige Rampe im jeweiligen Zeitfenster verfügbar, wird der Lkw aufgerufen und durch die weiteren Prozesse vor Ort geleitet.

„Das Volumen wird in der Zukunft steigen, die Wartezeiten werden länger werden“, prognostiziert Wohlgemuth. „Dem beugen wir jetzt schon vor. Wir haben Transparenz darüber, wer sich wann und wie lange im Werk aufhält, wickeln Transporte effizienter ab und konnten unsere Durchlaufzeiten deutlich verbessern: von durchschnittlich 56 auf 46 Minuten.“ Diese Abwicklungszeiten wolle man trotz Wachstum halten und weiter verbessern, sagt der Logistikmanager.

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