Werksverkehre algorithmisch steuern

Der interne Werksverkehr hat sich erheblich weiterentwickelt, aber die Einführung von künstlicher Intelligenz hat das Spielfeld verändert. Algorithmen, die auf fortschrittlichen mathematischen Modellen basieren, bieten die Möglichkeit, traditionelle Transportmethoden zu überdenken und neu zu gestalten. Inform zeigt Beispiele aus der Praxis.
In die Werke der DB Fahrzeuginstandhaltung kommen die unterschiedlichsten Züge zur Revision, Reparatur und Modernisierung.
In die Werke der DB Fahrzeuginstandhaltung kommen die unterschiedlichsten Züge zur Revision, Reparatur und Modernisierung.Bild: INFORM GmbH

Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt, aber dieser erste Schritt erfolgt besser erst, wenn man sich auch Gedanken über die Route gemacht hat. Schließlich möchte man sicher am Ziel ankommen und den Weg genießen. Wenn also der orientierungslose Gang in eine beliebige Richtung nicht gerade den Kern des gewählten Abenteuers ausmachen soll, dann gehen der Wanderung eine ganze Reihe von Schritten voraus: die Route wählen, Anforderungen überprüfen, angemessene Ausrüstung beschaffen, einen möglichst leichten Rucksack packen und los.

Stark vereinfacht, ist es im Materialfluss nicht anders: Kein Stapler sollte losfahren, um irgendeine beliebige Ladung zu transportieren. So wie der Wandergruppe ihre Karte kennt, braucht es im betrieblichen Kontext den vorausschauenden Blick auf das gesamte Transportnetz. Und so wie Navigationssysteme heute ganz selbstverständlich Touren leiten können, führen algorithmisch gesteuerte Transportleitsysteme aus der Basis von künstlicher Intelligenz und der fortschrittlichen Mathematik des Operations Research interne Werksverkehre zur optimierten Transportreihenfolge, wie Beispiele aus der Praxis zeigen.

Rund 198.000 Bremskomponenten und 58.000 Radsätze werden jedes Jahr in den Bahninstandhaltungswerken für Kunden aufgearbeitet.
Rund 198.000 Bremskomponenten und 58.000 Radsätze werden jedes Jahr in den Bahninstandhaltungswerken für Kunden aufgearbeitet.Bild: INFORM GmbH

Effiziente Produktionsversorgung auf die Schiene gebracht

Rund 198.000 Bremskomponenten und 58.000 Radsätze arbeitet DB Fahrzeuginstandhaltung jedes Jahr für ihre Kunden auf. In ihre Bahninstandhaltungswerke kommen die unterschiedlichsten Züge zur Revision, Reparatur und Modernisierung. An bundesweit zwölf Standorten sorgt das Unternehmen für die fristgerechte Instandsetzung der Schienenfahrzeuge. Um die dafür notwendigen Werkstransporte transparenter und effizienter zu gestalten, kommt die Cloud-basierte Version des Transportleitsystems Syncrotess des Aachener Optimierungsspezialisten Inform als zentrale Steuerungsinstanz zum Einsatz.

Müssen beispielsweise zwei Paletten mit Radsätzen von einem Materialbahnhof zum anderen gefahren werden, war es in den vergangenen Jahren die Aufgabe von Mitarbeitern der Logistik, eigenverantwortlich zu entscheiden, welche Transportaufträge sie wie priorisieren und wann ausführen. Um die Produktion immer bedarfsgerecht zu beliefern, waren und sind dafür einige Erfahrung und gute Schulungen notwendig, denn der Werkstransport bei DB Fahrzeuginstandhaltung ist ein dynamischer Prozess.

Regelmäßig wird in den Produktionshallen umgebaut und modernisiert, so dass die Materialflüsse nicht konstant bleiben, Materialbahnhöfe verlegt werden und auch die befahrbaren Routen sich immer wieder wandeln.
Regelmäßig wird in den Produktionshallen umgebaut und modernisiert, so dass die Materialflüsse nicht konstant bleiben, Materialbahnhöfe verlegt werden und auch die befahrbaren Routen sich immer wieder wandeln.Bild: INFORM GmbH

Optimierung für den internen Transport

Die rund 7.860 Mitarbeiter sind für die schwere Instandhaltung von Triebzügen, Lokomotiven, Personen- und Güterwagen der Deutschen Bahn, aber auch externer Kunden verantwortlich. Regelmäßig wird in den Produktionshallen umgebaut und modernisiert, so dass die Materialflüsse nicht konstant bleiben, Materialbahnhöfe verlegt werden und auch die befahrbaren Routen sich immer wieder wandeln. „In der Vergangenheit waren an jedem Standort der DB Fahrzeuginstandhaltung eigene Systeme und heterogene Lösungen für die Anmeldungen von Transportaufträgen im Einsatz“, sagt Lasse Paulsen, Seniorreferent Lager & Logistik bei DB Fahrzeuginstandhaltung. „Über die Anzahl der Transporte und die Auslastung unserer Staplerflotten hatten wir daher wenig Transparenz. Außerdem sollten bessere Funktionalitäten leicht umsetzbar sein.“ Neben der höheren Transparenz und Effizienz galt es, durch die optimierte Transportlogistik Kosten für Schulungen und das Leasing von Staplern zu reduzieren.

„Der gesamte Prozess verläuft jetzt verlässlicher und ruhiger. Wir haben eine höhere Materialverfügbarkeit erreicht, konnten aber gleichzeitig unsere Flottengröße der internen Transportressourcen sowie Leer- und Suchfahrten sogar um mindestens 30 Prozent reduzieren“, so Paulsen. Das bedeutet, dass die die Transporte in vielen Werken nun vollständig in der Logistikabteilung verortet sind, während sich die Produktionsmitarbeiter ganz auf ihre wertschöpfenden Aufgaben am Fahrzeug konzentrieren können.

Algorithmisch arbeitendes Transportleitsystem

Transportaufträge entstehen in der Regel zufällig, müssen aber dennoch zeitkritisch ausgeführt werden. Dazu sind oftmals verschiedene Flurfördermittel notwendig, um jeweils eine bestimmte Ladung zu transportieren oder eine bestimmte Route zu fahren. Um eine gute Entscheidung zu treffen, müssen neben diesen technischen Besonderheiten viele weitere Variablen bekannt sein: Ladekapazitäten, Geschwindigkeiten, die Verfügbarkeit von Ladungsträgern oder die frühesten und spätesten möglichen Termine zur Lieferung eines Artikels. Auch wo sich welches Material zu einem beliebigen Zeitpunkt gerade befindet, ist wichtig für die Steuerung.

Ein Transportleitsystem auf der Basis von entscheidungsintelligenten Algorithmen ist in der Lage, all diese Faktoren aus einer zentralen Perspektive „im Blick“ zu behalten. Es kann die Situation in Echtzeit bewerten, eine optimierte Transportreihenfolge berechnen und die Aufträge dafür dem jeweils geeignetsten Flurfördermittel zuweisen. Mangelnde Transparenz über die Stapler, Materialien oder andere Ressourcen, ist ein häufiger Grund für den Einsatz eines Transportleitsystems. Transparenz ist aber nicht alles. Intelligente Optimierungsalgorithmen können aus der spezifischen Situation ad-hoc ableiten, welche Flurfördermittel welchen Auftrag als nächstes durchführen sollten, damit das gesamte Auftragsnetz insgesamt optimal bedient wird. Es erkennt beispielsweise drohende Kapazitätsengpässe und gleicht diese durch eine intelligente Steuerung aus.

Das System bedient sich dabei der Stammdaten des jeweiligen Werkes. Transportwege und Bahnhöfe innerhalb eines Unternehmensstandorts werden in einem auf OpenStreetMap basierenden Tool einfach als Routennetz angelegt und können dann sofort von den Algorithmen verarbeitet werden. Alternativ lassen sich in Syncrotess auch Werkspläne darstellen. In dynamischen Fertigungsumgebungen wie der von DB Fahrzeuginstandhaltung, lässt sich dieses Netz jederzeit anpassen. Außerdem werden in den Stammdaten die zu steuernden Ressourcen eingepflegt, zu transportierende Ladeeinheiten sowie die Nutzer des Systems mit ihren unterschiedlichen Benutzerrollen angelegt. Auch Routineaufträge und Abbruchgründe für das Ablehnen eines Transportes lassen sich dort hinzufügen. Die Konfiguration des voll funktionsfähigen Systems aus der Cloud nimmt dann lediglich ein paar Stunden in Anspruch.

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