Paradigmenwechsel in der Kranausleger-Montage

Zurzeit nimmt Liebherr am Standort Ehingen, wo Mobil- und Raupenkrane hergestellt werden, einen Paradigmenwechsel in der Produktions- und Hallenlogistik vor. Damit sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, eine perspektivisch geplante Stückzahlerhöhung, um bis zu 50 Prozent mehr Krane zu erreichen. Teil des Umstellungsprozesses ist ein Sondergerät von Genkinger für Montage- und Prüfarbeiten beim Zusammenbau von bis zu sieben einzelnen Teleskop-Profilen.
Liebherr und Genkinger entwickelten gemeinsam ein neues Teleskop-Montagegerät.
Liebherr und Genkinger entwickelten gemeinsam ein neues Teleskop-Montagegerät.Bild: Genkinger GmbH

Zusammengesetzt ergeben die maximal 14m langen Teleskop-Schübe bis zu 90m lange Ausleger für Liebherr Mobilkrane. In dieser Geräteklasse bietet Liebherr Teleskop-Krane mit Tragfähigkeiten von 30 bis 750t an, wobei das neue Teleskop-Montagegerät für Krane mit Traglasten von 70 bis 250t eingesetzt wird. Die bisherige Auslegermontage erfolgte über Hallenkrane, die als Sonderanfertigung mit Schrägzug-Zulassung multifunktional eingesetzt wurden. Die speziellen Hallenkrane zogen unter Auf- und Abwärtsbewegungen die einzelnen, bis zu 14t schweren Teleskop-Sätze ineinander. Dies beanspruchte die Kranmotoren sehr stark, insbesondere, wenn für das Feinjustieren die Tippfunktionen genutzt wurden, also das kurze Anfahren und schnelle wieder Stoppen der Deckenkranbewegungen.

Gemeinsame Entwicklung

Ausgehend von der Prämisse, dass ein Deckenkran nicht mehr ausschließlich an der Montage beteiligt sein sollte und dass an mehreren Arbeitsplätzen gleichzeitig gearbeitet werden kann, entwickelten Liebherr und Genkinger gemeinsam ein neues Teleskop-Montagegerät: Es wird zur Prüfung und Montage per Hallenkran mit dem Teleskop-Rollenkopf bestückt, der durch Greifer des Montagegerätes am Kopfstück fest eingespannt wird. Das nächstgrößere Teleskop-Profil wird per Hallenkran auf Montageböcken bereitgestellt, so dass der Teleskop-Rollenkopf eingefahren werden kann. Ist dessen Montage erfolgt, hebt das Montagegerät dieses Teleskop-Paket an, fährt weg und das nächstgrößere Teleskop-Profil kann per Kran auf die Montageböcke gelegt werden.

Dabei werden unterschiedliche Prüf- und Einstellarbeiten vorgenommen, wobei die Liebherr Werker die präzisen Hebe-, Senk-, Verschiebe- und Drehfunktionen des Montagegerätes feinfühlig funkfernsteuern. Anschließend wird das Gesamtpaket mit dem Deckenkran zur nächsten Produktionsstufe – dem Teleskopzylinder – transportiert, während das Teleskop-Montagegerät wieder mit den nächsten Teleskopteilen beladen wird.

Das Montagegerät besteht aus vier wesentlichen Funktionskomponenten: einem Hubmast, einem Vorbau mit Verschiebmöglichkeiten einschließlich Greifern sowie einem beweglichen V-Auflageprisma. „Mit dieser Maschine können wir sehr genau positionieren, was mit dem Vorgänger nicht möglich war“, sagt Ludwig Förder, Leiter der Teleskopausleger-Montage. Zur Ermittlung der komplizierten Last- und Kraftverteilung bei den Schiebeprozessen wurden Versuche gefahren, da selbst mit Computerberechnungen keine gesicherten Werte zu erzielen waren. Erst durch die Daten der Versuche konnte eine genaue Dimensionierung des Antriebs vorgenommen werden: 4t Schubkraft in der Waagerechten, um die Teleskoprohre stramm einzupassen.

Das neue Montagegerät bietet Liebherr vier wesentliche Vorteile:

Vorteil 1: Optimierter Handling-Prozess

Der Deckenkran ist nicht mehr dauernd multifunktional im Einsatz und steht somit für die Belieferung der Teleskop-Ausleger für die benachbarten Arbeitsplätze schneller zur Verfügung. Waren beim Deckenkran zuvor noch 21 Auf- und Abhängevorgänge zu erledigen, hat sich diese Zahl auf nunmehr auf lediglich acht je Teleskopsatz reduziert. Vor allem sind die motorstrapazierenden Justiereinsätze mit der Tippfunktion in der Montage komplett weggefallen. „Der jetzige Prozess ist definierter, effizienter und damit einheitlicher geworden. Schrägzug ist hingegen nie so genau definierbar“, erklärt Ludwig Förder. „Mit der neuen Maschine und ihren präzisen Einstellmöglichkeiten können beispielsweise auch Korrekturen leichter vorgenommen werden als zuvor.“

Vorteil 2: Endlackierte Teleskoprohre

Aufgrund eines geänderten Lackierprozesses kommen die Teleskoprohre nun größtenteils schon endlackiert und mit Schonelementen aus Kunststoff in die Ausleger-Montage. Das passt gut, denn das Genkinger-Montagegerät ermöglicht ein genaueres und damit schonenderes Handling. Schrammen oder Beschädigungen sind deshalb so gut wie ausgeschlossen.

Vorteil 3: Komfortablere Ergonomie

Der gesamte Montage-Prozess ist ruhiger, gleichmäßiger und komfortabler geworden. Die Mitarbeiter arbeiten aufrechter und ergonomisch vorteilhafter. Früher musste der Mitarbeiter sich mehr bücken, heute arbeitet er mehr auf gleicher Ebene. So gibt es auch einen langfristig positiven Effekt durch Schonung von Rücken und Gelenken, wodurch Ausfallrisiken minimiert werden.

Vorteil 4: Übersichtlichere Arbeitssituation

Die Arbeitssituation ist dadurch, dass frühere Aufgaben des Deckenkrans nun vom ebenerdigen Montage-Gerät per Funkfernbedienung gesteuert werden, übersichtlicher und damit auch sicherer geworden. Das Arbeiten unter hängender Last konnte deutlich reduziert werden.

Fazit

Nach knapp einem Jahr mit dem Montage-Gerät zieht Ludwig Förder folgendes Fazit: „Die Qualität ist ausgezeichnet. Wir konnten die Maschine gleich im Januar 2021 voll einsetzen, und nach kleineren Anpassungen läuft sie seither zuverlässig“. Die Mitarbeiter seien von Anfang an sehr zufrieden mit der Neuentwicklung. „Sie ist robust, wartungsarm und einfach zu bedienen.“ Die Inbetriebnahme von drei weiteren Genkinger-Montaggeräten sei nach der erfolgreichen Bewährungsprobe des ersten Gerätes im Praxiseinsatz für das Frühjahr 2023 geplant.

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