Sicher autonom navigieren

Frei navigierende mobile Plattformen (Autonomous Mobile Robots, kurz AMR) können sicher um Hindernisse oder Personen fahren. Sie können ihre Wege dabei eigenständig planen. Die benötigten Sicherheitsfunktionen nach der entsprechenden Norm ISO 3691-4 sind daher komplex. Es muss ein schnelles Umschalten zwischen mehreren Schutzzonen möglich sein, damit Kollisionen zwischen Mensch und Maschine ausgeschlossen und Stillstandzeiten vermieden werden. Ein umfassendes Sicherheitspaket, das Safety und Security gewährleistet, spielt dafür eine zentrale Rolle.
Pilz bietet für die Absicherung von 
fahrerlosen Transportsystemen 
eine Komplettlösung aus Sensorik, Steuerungstechnik und Security.
Pilz bietet für die Absicherung von fahrerlosen Transportsystemen eine Komplettlösung aus Sensorik, Steuerungstechnik und Security.Bild: Pilz GmbH & Co. KG

Die Zukunft der Intralogistik ist vor allem eins: flexibel. Mit dem Wunsch nach mehr Flexibilität steigen auch die Anforderungen an die Sicherheit. Daher bedarf es für AMR gemäß ISO 3691-4 „Flurförderzeuge – Sicherheitstechnische Anforderungen und Verifizierung – Teil 4: Fahrerlose Flurförderzeuge und ihre Systeme“ ein ebenso flexibles Lösungskonzept, damit die Sicherheit stets mitfährt: Wesentlicher Baustein ist die Sensorik an Bord: Sicherheits-Laserscanner müssen nicht nur das Umschalten der Schutzzonen beim Kurvenfahren beherrschen, sondern auch die Lokalisierung mit abdecken – und zwar bis zum zweithöchsten Sicherheitslevel PL d. Und auch von der Sicherheitssteuerung zur Umschaltung der Schutzzonen nach PL d werden entsprechende Parametriermöglichkeiten verlangt.

Sichere und dynamische Zonenumschaltung

Konfigurierbare Kleinsteuerungen wie PNOZmulti von Pilz etwa stellen im Softwaretool PNOZmulti Configurator eigens dafür entwickelte Funktionsbausteine zur Gleichlaufüberwachung zur Verfügung. Dank ihnen kann der Synchronlauf der Achsen einer mobilen Plattform zuverlässig überwacht werden. Die Programmfunktion vergleicht die Encoderwerte der zwei Achsen miteinander und ermöglicht damit Rückschlüsse über die Bewegungsrichtung und -geschwindigkeit der autonomen mobilen Plattform.

Mit dieser Information kann die normativ geforderte sichere Zonenumschaltung dynamisch im Sicherheits-Laserscanner, wie etwa PSENscan von Pilz, realisiert werden. Mit der „Zonenanwahl-Funktion“ des PSENscan können beispielsweise seine bis zu 70 Zonensätze dynamisch umgeschaltet werden: Bei hoher Geschwindigkeit sind die Schutzzonen größer, um frühzeitig Gefahren zu erkennen. Bei langsamen Geschwindigkeiten können diese entsprechend kürzer sein, um möglichst keine Stillstände zu generieren. Zwei Sicherheits-Laserscanner – diagonal am AMR angeordnet – bieten so eine 360°-Rundumsicht. So bewegt sich der AMR sicher und effizient.

Lokalisierung und Navigation in Echtzeit

Die erstellten Konfigurationen der Zonensätze können im Navigationsrechner der frei navigierenden Plattform importiert und verarbeitet werden. Der Sicherheits-Laserscanner PSENscan stellt auch die Abstandsdaten der Laserstrahlen für die Lokalisierung und Navigation der mobilen Anwendung bereit. Die Datenübertragung erfolgt über UDP (User Datagram Protocol) und kann über marktübliche, offene Schnittstellen über eine C++-Bibliothek oder ROS (Robot Operating System) abgerufen werden. Das bietet Anwendern Flexibilität und ermöglicht eine einfache Erstellung von Umgebungskarten für die Navigation.

Das Lösungspaket von Pilz ermöglicht die Absicherung und 
produktive Flächenüberwachung von fahrerlosen Transportsystemen. Es erkennt Objekte im Fahrweg des Fahrzeugs und sorgt auch bei hohen Geschwindigkeiten für höchste Sicherheit, ohne Abstriche bei der Produktivität zu machen.
Das Lösungspaket von Pilz ermöglicht die Absicherung und produktive Flächenüberwachung von fahrerlosen Transportsystemen. Es erkennt Objekte im Fahrweg des Fahrzeugs und sorgt auch bei hohen Geschwindigkeiten für höchste Sicherheit, ohne Abstriche bei der Produktivität zu machen.Bild: Pilz GmbH & Co. KG

Industrial Security: Schutz vor unautorisierten Zugriffen

Neben der Maschinensicherheit spielt die Industrial Security eine immer bedeutendere Rolle in der Intralogistik. Die zunehmende Vernetzung erfordert zusätzlichen Schutz gegen unerwünschte Zugriffe, denn Security stellt die Integrität der Safety sicher: AMR kommunizieren per WiFi mit ihrer Leitsteuerung beziehungsweise mit ihrem Flottenmanagementsystem und erhalten so ihre Aufträge. Das macht sie für unbefugte Zugriffe oder Manipulationen von außen angreifbar. Kartendaten könnten abgefragt, manipuliert, Unfälle provoziert und damit AMR im schlimmsten Fall sogar still gesetzt werden.

Eine Industrie-Firewall, wie etwa die SecurityBridge von Pilz, kontrolliert die Datenkommunikation und schützt vor Manipulation. So kann während des Betriebs niemand unautorisiert auf das interne Automatisierungsnetzwerk der mobilen Plattform zugreifen, die Sicherheitskomponenten des AMR sind geschützt. Die industrielle Firewall funktioniert in diesem Fall wie eine Art „Türsteher“ und besitzt über eine sogenannte Whitelist die notwendigen Informationen darüber, welche Systeme, wie z.B. das Flottenmanagementsystem, mit dem AMR kommunizieren und welche Signale nicht weitergegeben werden dürfen. Das reduziert die mögliche Angriffsfläche und erschwert es somit Angreifern eine Sicherheitslücke auszunutzen – nur wer zur Kommunikation berechtigt ist, darf diese auch ausführen.

Zugriffe über Berechtigungen und Betriebsarten steuern

Ein umfassendes Identification and Access Management (I.A.M.) stellt über die reine Daten- und Netzwerksicherheit hinaus auch einen Schutz vor physischer Manipulation oder Fehlbedienung dar. Aktuell regeln oft einfache Schlüsselschalter den Zugriff auf eine mobile Plattform. Aber was, wenn die Person dafür gar nicht qualifiziert respektive autorisiert ist und sich oder andere Personen in Gefahr bringt? Auch eine Person mit böswilligen Absichten kann die vorgesehene Funktionalität am Fahrzeug selbst manipulieren.

Der Schutz vor unberechtigtem Zugriff auf die mobile Plattform kann in der Praxis mit einem Betriebsartenwahl- und Zugangsberechtigungssystem wie PITreader von Pilz realisiert werden. Es vereint Safety und Industrial Security: Die Wahl der Betriebsart und die Regelung der Zugangsberechtigung zur Maschine. Die Möglichkeiten reichen von der einfachen Freigabe der mobilen Plattform als Ersatz für ein Passwort bis zu firmenspezifischen Codierungen für zusätzlichen Manipulationsschutz.

So lassen sich die komplexen Anforderungen für den sicheren Einsatz von mobilen Plattformen bestmöglich mit einem Komplettpaket aus Sicherheits-Laserscanner, konfigurierbarer Steuerung und Industrial-Security-Maßnahmen wie Firewalls und/oder Zugangsberechtigungssystemen umsetzen – für eine erhöhte Effizienz in der Intralogistik.

Die Pilz SecurityBridge wird 
innerhalb eines Firmennetzwerks eingesetzt und verhindert 
beispielsweise auch bei mobilen Anwendungen den unerlaubten Zugriff auf Steuerungen.
Die Pilz SecurityBridge wird innerhalb eines Firmennetzwerks eingesetzt und verhindert beispielsweise auch bei mobilen Anwendungen den unerlaubten Zugriff auf Steuerungen.Bild: Pilz GmbH & Co. KG

Neben passenden Sicherheitslösungen können auch Softwarelösungen für das Flottenmanagement dafür sorgen, dass FTS reibungslos von A nach B kommen. In Kooperation mit dem Experten für Materialfluss-Automatisierung NAiSE bietet das Automatisierungsunternehmen Pilz den weltweit ersten Verkehrs- und Auftragsmanager für alle Teilnehmer in der Intralogistik an – für den Menschen sowie für Flurförderfahrzeug wie FTS oder Gabelstapler. Mittels Sensorinfrastruktur und intelligenter sowie integrierter und herstellerübergreifender Kommunikation analysiert der Verkehrs- und Auftragsmanager NAiSE Traffic in Echtzeit den Verkehrs- und Warenfluss in Intralogistikanwendungen sicher und effizient. Damit steht Betreibern eine ganzheitliche herstellerunabhängige Materialfluss-Automatisierungslösung zur Verfügung. Staus, Engpässe oder Unfälle werden vermieden. Dies erhöht die Sicherheit und optimiert die Verkehrssteuerung – für mehr Transparenz, Effizienz, und Produktivität.

Bei Bedarf übernehmen die Automatisierungsexperten von Pilz weltweit die internationale Konformitätsbewertung des FTS bis zur CE-Kennzeichnung – auch für die gesamte Applikation. Wie wird so etwas in der Praxis umgesetzt? Die kanadische Tochtergesellschaft von Pilz hat beispielsweise für einen dort ansässigen AMR-Hersteller die CE-Konformitätsbewertung begleitet und durchgeführt. Das Projekt umfasste die CE-Kennzeichnung von drei AMRs, die nach Europa exportiert werden sollten – inkl. Auditierung und Zertifizierung. Zudem sollte die geplante Serie eines selbstfahrenden Gabelstaplers das CE-Zeichen erhalten. Der Anspruch war, dass alle Fahrzeuge vor dem Verkauf nach Europa die Konformität erfüllen. Die Herausforderung: Die Fahrzeuge waren mit einem nicht zertifizierten, eigenentwickelten Steuerungssystem ausgestattet, welches natürlich auch sicherheitsrelevante Funktionen beinhaltet. Dafür gab es noch keinen Zertifizierungsprozess. Denn mit dem CE-Zeichen versehene Produkte unterliegen keinen nationalen Vorschriften in der EU. Nicht umsonst spricht man beim CE-Zeichen daher auch vom „Reisepass für Europa“.

Als Arbeitsgrundlage diente Pilz die ISO 3691-4, die die sicherheitstechnischen Anforderungen und die Verifizierung in Bezug auf Flurförderzeuge festlegt. In enger Abstimmung mit dem Kunden wurden die verschiedenen Aspekte erarbeitet, um am Ende ein Checklistendokument zur Verifizierung des EHSR (Essential Health and Safety Requirements) gemäß Anhang E der ISO 3691-4 zu erstellen.

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