Lagervertrag vs. Mietvertrag vs. Logistikvertrag

Höchst unterschiedliche Haftungsumfänge machen es notwendig, die vertraglichen Grundtypen, die einer Lagerhaltung zugrunde liegen können, zu unterscheiden.
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Die Crux beim Einlagern ist § 475 HGB: „Der Lagerhalter haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Lagerung bis zur Auslieferung entsteht.“ Die Regelung lässt jede Art von Haftungsbegrenzung vermissen, so dass der Lagerhalter von Gesetzes wegen ohne Limitierung für Schäden am eingelagerten Gut einstehen muss. Die Folge: Kein Versicherer ist bereit, ein solches Risiko abzudecken.

Haftungshöhe vertraglich begrenzen

Es ist daher notwendig, von der gesetzlichen Regelung abzuweichen – durch individuelle Verträge, die mit dem Kunden geschlossen werden, oder durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die der Lagerhalter all seinen Geschäften zugrunde legt. Hier sollte dann jeweils eine maximale Haftungshöhe pro Schadensfall festgelegt sein. Alternativ kann auch auf die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) zurückgegriffen werden, wo umfassende Haftungsbegrenzungen verankert sind.

Keine Haftung bei einfachen Mietverträgen

Eine andere Möglichkeit, von den leidigen HGB-Vorschriften wegzukommen, bestünde, wenn das Einlagern im Rahmen eines simplen Mietvertrages erfolgen würde. „Einen Lagerhalter, der nur Lagerfläche vermietet, trifft grundsätzlich keine Obhutshaftung, denn hier geht es nur um die reine Gebrauchsüberlassung der Fläche“, erläutert der Kölner Rechtsanwalt Usama Sabbagh, zugleich Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er warnt jedoch: „Nur weil ein Vertrag als Mietvertrag überschrieben worden ist, liegt noch lange kein Mietvertrag vor. Es kommt vielmehr darauf an, was die Parteien inhaltlich vereinbart haben.“

Beim Lagervertrag besorgt der Lagerhalter die Lagerung und die Aufbewahrung des Guts, während beim Mietvertrag über eine Lagerfläche der Mieter seine Sachen selbst einlagert und aufbewahrt und den gemieteten Lagerort jederzeit betreten darf. „Für die vom Mieter eingebrachten Gegenstände haftet der Vermieter nicht“, stellt Jurist Sabbagh klar. „Wenn dagegen im Rahmen der getroffenen Vereinbarung eine Obhuts- und Verwahrungspflicht als Hauptpflicht übernommen wird, führt das zwangsläufig zu einem Lagervertrag.“

Gemischte Verträge

Doch in der Logistik gehen die Anforderungen fast immer über die reine Lagerhaltung hinaus. Transport und Umschlag, Kommissionierung, Verpackung, komplette Auftragsabwicklung, Retourenmanagement, Warehousing, Fulfillment lauten die komplexen Anforderungen. „Hier werden verschiedene Vertragstypen mit unterschiedlichen Leistungspflichten gemischt und umfassende Vertragskonstrukte entwickelt, die nicht selten vom Verlader/Versender vorgegeben werden“, erläutert Anwalt Sabbagh. Bei einem solchen typengemischten Miet-, Nutzungs-, Logistik-, Speditions- und Lagervertrag sollte der Lagerhalter besonders sorgfältig prüfen, ob er sich auf die Haftungsregeln und -quoten einlassen kann und will.

Die komplexeste Form der Lagerhaltung ist das Multi-User-Lager. Der Betreiber stellt den Nutzern, je nach deren aktuellem Bedarf, Lagerflächen, Personal und Maschinen zur Verfügung. Dabei gilt: der individuelle Leistungsumfang, also alle Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, muss zwischen dem Dienstleister und jedem einzelnen Nutzer vertraglich genau dokumentiert sein – auch der Haftungsumfang.

Anja Falkenstein ist als Rechtsanwältin in Karlsruhe tätig und schreibt zu Themen an der Schnittstelle Logistik/Recht.

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