Wann ist Automatisierung in der Intralogistik die beste Wahl?

Automatisierte Lösungen punkten mit hoher Geschwindigkeit, besserer Platzausnutzung und niedrigen Betriebskosten, erfordern aber hohe Investitionen und machen die Logistik unflexibel. Treffen diese Vor- und Nachteile wirklich zu? Für Antworten sollten sich die Verantwortliche mit den Herausforderungen und Chancen auseinandersetzen.
 Automatisierung punktet mit höherer Geschwindigkeit und besserer Platzausnutzung bei niedrigeren Betriebskosten.
Automatisierung punktet mit höherer Geschwindigkeit und besserer Platzausnutzung bei niedrigeren Betriebskosten.Bild: Unitechnik Systems GmbH

Der industrielle Mittelstand ist zwiegespalten: Einerseits möchte er die kontinuierlich steigenden Ansprüche der Kunden hinsichtlich kleinerer Losgrößen und kurzer Lieferzeiten erfüllen können, andererseits aber auch auf aufwändige und kostspielige Eingriffe in die bestehende Lagerinfrastruktur verzichten. So steigt der Automatisierungsgrad in der innerbetrieblichen Logistik deutscher Unternehmen zwar immer weiter, ist aber insgesamt noch auf einem niedrigen Niveau, wie eine kürzlich durchgeführte Studie der Firma Unitechnik zeigt. In manchen Fällen liegt das an einem mangelnden Bewusstsein für das Optimierungspotenzial durch die Automatisierung von Prozessen, oft aber auch an Vorurteilen rund um die Implementierung. Zu teuer, zu aufwändig, zu unflexibel erscheint die Automatisierung vielen Verantwortlichen in der Intralogistik. Hier lohnt jedoch ein zweiter Blick.

Teure Anschaffung vs. geringere Betriebskosten

Es stimmt: Für die Anschaffung und Inbetriebnahme einer automatisierten Lösung sind höhere Investitionskosten erforderlich als bei einer manuellen Lösung. Wie hoch die Kosten tatsächlich ausfallen, ist vom Automatisierungsgrad abhängig. Dabei gibt es nicht nur schwarz oder weiß. Sinnvoll ist die intelligente Mischung von automatisierten, teilautomatisierten und manuellen Arbeitsschritten, um mit möglichst wenig Aufwand die gewünschten Ziele zu erreichen. Die konkrete Ausgestaltung sollte Teil eines vorausgehenden Planungsprozesses sein. Doch die Investition ist nur eine Seite der Medaille. Die anfänglich hohen Kosten amortisieren sich nach einer gewissen Zeit: Die höhere Durchsatzleistung ohne zusätzliches Personal führt – insbesondere bei einem Mehrschichtbetrieb – zu geringeren Stück- und Betriebskosten. Auch der geringere Flächenverbrauch durch die automatisierte Logistikanlage macht sich positiv bemerkbar.

Flexibel – trotz fester Infrastruktur

Um mit den beschleunigten Prozessen Schritt zu halten, suchen Intralogistiker nach leistungsfähigen Lösungen, die flexibel und skalierbar sind. Automatisierte Lager stehen aber in dem Ruf, aufgrund ihrer festen Infrastruktur das genaue Gegenteil darzustellen. Es ist zwar richtig, dass ein automatisiertes Logistiksystem mit definierten Ladungsträgern arbeitet. Da Behälter oder Paletten feste Abmessungen und ein maximales Gewicht haben, ist die nachträgliche Änderung des Artikelspektrums mitunter eingeschränkt. Durch eine intelligente Gestaltung der Lösung lassen sich jedoch bereits zahlreiche Zukunftsszenarien abbilden. Beispielsweise hat sich die Kombination von einem Palettenhochregallager und einem Automatischen Kleinteilelager bewährt. Außerdem lassen sich mittels Tablaren Lösungen entwickeln, die eine hohe Flexibilität ermöglichen.

Skalierbare Lösung mit effizienter Platzausnutzung

Eine gewisse Skalierbarkeit der Lagersysteme wird durch die Bedienung mit Shuttle-Fahrzeugen erreicht. Über die Anzahl der Fahrzeuge kann die Leistung an gestiegene Anforderungen angepasst werden. Selbst klassische Lager mit Regalbediengeräten erlauben eine nachträgliche Leistungserhöhung durch das Nachrüsten eines zusätzlichen Lastaufnahmemittels. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit punkten automatisierte Systeme mit Geschwindigkeit und hoher Kapazität. Da es in einer automatisierten Umgebung unabhängig von der Größe des Artikelspektrums nur wenige Minuten dauert, bis die Ware beim Kommissionierer ankommt, entsteht ein sehr schneller Auftragsdurchlauf. Zudem erhöhen automatisierte Lösungen in der Regel die Lagerkapazitäten: Automatische Hochregallager, die bis zu 45m hoch sind, nutzen die Fläche effizient – vor allem bei mehrfachtiefer Lagerung. Durch Automatisierungs- und Assistenzsysteme lassen sich Kommissionierfehler reduzieren, die Verpackungsqualität verbessern und damit die Lieferqualität optimieren. Das Ergebnis: zufriedene Kunden und weniger Retouren.

Instandhaltung wird zum Erfolgsfaktor

Durch den Einsatz einer automatisierten Logistikanlage werden keine Mitarbeiter mehr benötigt – so ein weit verbreiteter Irrglaube. Gerade die Mitarbeiter sind jedoch ein entscheidender Faktor, wenn es um den Erfolg oder das Scheitern der Automatisierung geht. Das gilt insbesondere für die Instandhaltung. Denn die Anlage kann – wie jede Art von Technik – ausfallen. Hier ist geschultes Personal gefragt, das sich mit der Funktionsweise und möglichen Störungsursachen auskennt. So kann es Störungen schnellstmöglich beheben und eine möglichst hohe Verfügbarkeit der Anlage gewährleisten. Assistenzsysteme wie Störungsanalysetools und Anlagenvisualisierung zum Status der Anlage und ihrer Komponenten unterstützen dieses Ziel. Kommt der Instandhalter nicht zurecht, können die Spezialisten des Anlagenlieferanten per Fernzugriff helfen. Auch mit präventiven Hinweisen an die Logistikmitarbeiter auf Bedienungsfehler oder unsachgemäßes Beladen – als häufige Ursachen für Störfälle – verbessert die Instandhaltung die Zuverlässigkeit der Anlage. Ein gutes Anlagendesign ist die beste Voraussetzung dafür, dass Service und Reparatur schnell gelingen.

Automatisierte Systeme unterstützen Mitarbeiter

Die Logistikmitarbeiter arbeiten mit technischen Geräten wie Datenbrillen und Pick-by-Voice-Geräten. Dadurch werden sie von der Technik unterstützt, müssen aber auch mehr Vorgänge in der gleichen Zeit schaffen. Großbildschirme, die wichtige Kennzahlen anzeigen, motivieren die Mitarbeiter dabei, da sie so in die Gesamtprozesse einbezogen werden. Auch der Lagerleiter profitiert: Das Lagerverwaltungssystem (LVS) liefert ihm alle Informationen zu Aufträgen, Beständen und Anlagenzustand. Über umfangreiche Analysetools kann er Engpässe erkennen, bevor diese zum Problem werden. Mobile Endgeräte und eine übersichtliche Anlagenvisualisierung helfen ihm dabei, den Betrieb zu führen und kontinuierlich zu optimieren.

Heutzutage spielt auch die Ergonomie am Arbeitsplatz eine große Rolle. Eine automatisierte Anlage kann hier einen guten Beitrag leisten: Das Material wird zum Beispiel automatisch angedient; Artikel- und Auftragsbehälter sind so angeordnet, dass Abstände, Bewegungsabläufe und Greifhöhen den Mitarbeiter möglichst wenig belasten. Diese Aspekte können bereits in der Planungsphase berücksichtigt und mittels Virtual Reality getestet werden – entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen. Zudem trägt das automatisierte Logistiksystem zu einem verbesserten Arbeitsschutz bei. Mögliche Unfallrisiken wie Staplerverkehr werden reduziert. Automatisierte Systeme können in widrigen Umgebungen, zum Beispiel im Tiefkühllager, menschliche Tätigkeiten übernehmen.

Die wirtschaftlichste Lösung finden

Fest steht: Automatisierung kann ein wichtiger Wettbewerbsfaktor sein, um die steigenden Kundenanforderungen in puncto Lieferqualität und Reaktionszeiten, bei gleichzeitigem Kostendruck, zu erfüllen. Ob und in welchem Maße die beschriebenen Vorteile für ein Unternehmen relevant sind, hängt vom Einzelfall ab. Damit die Entscheidung für eine passgenaue Lösung aus einer Vielzahl von möglichen Varianten gelingt, empfiehlt sich eine strategische Herangehensweise. Bevor die Investitionsentscheidung fällt, zeigt eine Planungsphase mit externer Unterstützung, zum Beispiel durch einen Generalunternehmer wie Unitechnik, den optimalen Weg für den eigenen Betrieb auf – ob nun manuell, teilautomatisiert oder hochautomatisiert.

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Ferag AG
Bild: Ferag AG
Unified-Control-System 
für das Lager der Zukunft

Unified-Control-System für das Lager der Zukunft

Lagerverwaltungssoftware revolutioniert die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Lagerbestände organisieren, verfolgen und optimieren, indem sie effiziente Prozesse, Echtzeit-Daten und automatisierte Funktionen bereitstellt. Letztendlich ermöglicht eine effektive Lagerverwaltungssoftware Unternehmen, flexibler zu sein, sich schneller an sich ändernde Marktbedingungen anzupassen und somit rentabel und wettbewerbsfähig zu bleiben und nachhaltig zu wachsen. Trotz Vorteilen, die auf der Hand liegen, sind die mit der Implementierung verbundenen Kosten und Prozessumstellungen nicht selten eine Hemmschwelle, die Unternehmen überwinden müssen. Ferag.doWarehouse ist eine innovative Software, welche die Standards für die Lagerverwaltung neu definiert. Sie bietet eine ebenso unkomplizierte wie maßgeschneiderte Lösung für Unternehmen jeder Größe und Komplexität.

Bild: GIS AG
Bild: GIS AG
Rigging-System 
für Multifunktionsarena

Rigging-System für Multifunktionsarena

Im Oktober 2022 konnten die ZSC Lions ihr neues Heimstadion einweihen. Die Swiss Life Arena ist nicht nur eines der größten Eishockeystadien der Schweiz, sondern vor allem auch eine Multifunktionsarena mit modernster Infrastruktur für die unterschiedlichsten Events und Anlässe. Zur Ausstattung gehört ein Rigging-System an der Hallendecke, das in Zusammenarbeit mit den Firmen B+T Bild+Ton und GIS realisiert wurde. Es besteht aus sechs Traversen und insgesamt 30 Elektrokettenzügen, die bequem über einen Touch-Controller gesteuert werden können.

Bild: MHP Management- und IT-Beratung GmbH
Bild: MHP Management- und IT-Beratung GmbH
Sportwagenhersteller setzt 
auf zentrale Leitsteuerung

Sportwagenhersteller setzt auf zentrale Leitsteuerung

Porsche bindet in der Intralogistik Automated Guided Vehicles (AGVs) ein, die ab sofort über den MHP FleetExecuter gesteuert werden. Damit setzt der Autobauer erstmals in der Unternehmensgeschichte auf eine zentrale Flottenleitsteuerung. Die in die bestehende IT-Infrastruktur integrierte Cloud-Lösung ist in den Stammwerken in Zuffenhausen im Einsatz. Dort dient sie als funktionaler Core der Automatisierung des Logistikprozesses. In Kürze sollen weitere Roll-outs folgen, etwa beim Bau des Taycan. Geplant sind zahlreiche Projekte, bei denen insgesamt mehrere hundert Fahrzeuge in unterschiedlichen AGV-Flotten mit über 300 Funktionen im Einsatz sind. Die Tochtergesellschaft von Porsche ist dabei für Beratung, Implementierung, Produktentwicklung sowie Service und Support verantwortlich.

Bild: MiR Mobile Industrial Robots ApS
Bild: MiR Mobile Industrial Robots ApS
Kollaborative Sicherheit

Kollaborative Sicherheit

Die fortschreitende industrielle Automatisierung hat ein neues Stadium erreicht: Autonome mobile Roboter (AMR) sind mittlerweile aus Produktionshallen und Logistikzentren weltweit nicht mehr wegzudenken. Diese Technologie ermöglicht es Unternehmen, eine breite Palette von Aufgaben und Prozessen zu automatisieren, was zu einer signifikanten Steigerung der Produktivität und wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit führt. Doch gleichzeitig müssen wir uns den neuen Sicherheitsherausforderungen stellen, die mit der Integration dieser Systeme einhergehen. In diesem Zusammenhang stellt sich die zentrale Frage, wie AMR dazu beitragen können, die physischen Sicherheitsstandards in der Industrie zu erhöhen und gleichzeitig die Resilienz gegenüber Cyberangriffen zu stärken.