Digitale Produkte und Dienstleistungen sind im Trend: Die Gesellschaft ist immer digitaler unterwegs. Doch die Wirtschaft und vor allem die Logistik und der Handel hinken in vielen Fällen hinterher. Nur selten arbeiten Unternehmen proaktiv an neuen Lösungen oder testen innovative Technologien. Das bestätigen eine Studie der Bundesvereinigung Logistik (BVL) und der Digitalisierungsindex 2022 des Bundeswirtschaftsministeriums.
Um weiterhin erfolgreich zu sein, muss die Retail- und Logistikbranche digitaler werden – das zeigen auch die von Manhattan Associates analysierten Trends für dieses Jahr:
Permanente Sichtbarkeit
Die Bedeutung der „Sichtbarkeit“ wird weiter zunehmen und beschränkt sich nicht nur auf das im Transport befindliche Produkt, sondern auch auf Produkte und Bestände im Lager. Angesichts der anhaltenden Marktvolatilität müssen Versender in der Lage sein, auf bestehende Störungen nahezu in Echtzeit zu reagieren.
Jüngsten Untersuchungen von Manhattan Associates zufolge sind nur drei Prozent der Einzelhändler in Deutschland der Meinung, dass sie zu 100 Prozent einen genauen Überblick über den kompletten Bestand haben – das gilt für Waren in den Geschäften, im Lager und beim Transport. „Einzelhändler werden in diesem Jahr aktiv daran arbeiten müssen“, sagt Markus Lohmann, Sales Director Germany bei Manhattan Associates. „Für ihren Erfolg ist es von entscheidender Bedeutung, genau zu wissen, wo sich die Bestände zu einem beliebigen Zeitpunkt befinden.“
Automatisierung und Robotik
Da der Faktor Arbeit für Unternehmen auf der ganzen Welt nach wie vor ein erhebliches Engpassproblem darstellt, nicht zuletzt im Lager, wird sich die Verbreitung von Automatisierung und Robotik beschleunigen. Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass Roboter Menschen in Schlüsselpositionen der Lieferkette ersetzen werden. Aber größere Fortschritte bei der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine sind zu erwarten, da mehr Roboter entwickelt werden, die menschliche Arbeitskräfte durch die Übernahme von Routineaufgaben unterstützen.
Umweltbewusstere Verbraucher
Informationen über Produktbeschaffung und Nachhaltigkeit werden in diesem Jahr zur neuen Norm werden. Im Jahr 2022 gab fast die Hälfte (49 Prozent) der von Manhattan Associates im Rahmen ihrer Omnichannel-Retail-Studie befragten Verbraucher an, dass Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsaspekte bei der Entscheidung, wo und bei wem sie einkaufen, eine wichtige oder die wichtigste Rolle spielen. „Wir gehen davon aus, dass diese Zahl stark ansteigen wird“, sagt Markus Lohmann. „Einzelhändler müssen aktive Schritte unternehmen, um ihr eigenes End-to-End-Produktangebot transparenter zu gestalten – einschließlich der Lieferkettennetzwerke, die alles miteinander verknüpfen.“
Viele Marken haben bereits im vergangenen Jahr Initiativen für Nachhaltigkeit und recycelte Materialien gestartet, darunter Programme zur Wiederverwertung gebrauchter Waren wie Nikes nachhaltige Laufserie aus Plastikmüll und recycelten Materialien. Mit dem wachsenden Interesse der Verbraucher wird das Jahr 2023 mehr Nachdruck und Impulse für Nachhaltigkeitsinitiativen im gesamten Ökosystem des Einzelhandels bringen.
Der Vormarsch des Digitalen: soziale Plattformen als Zahlungs- und Marktplätze, das Metaverse und Social Commerce
Jeder fünfte Konsument in Deutschland will über soziale Medien mit Google, Apple, Amazon und Facebook Pay einkaufen und bezahlen. Unternehmen weiten ihre Reichweite auf jüngere Zielgruppen aus, indem sie Social-Media-Plattformen wie TikTok und Douyin zusätzlich zu den traditionellen Marktplätzen wie Amazon und Zalando als Verkaufskanäle nutzen. Die Verbreitung verschiedener Zahlungs- und Social-Shopping-Plattformen wird sich im Jahr 2023 beschleunigen.
Das Metaverse verschmilzt physische und virtuelle Welten, um dynamische neue Möglichkeiten der Interaktion zwischen Menschen zu schaffen. Zahlreiche Marken wie Nike, Vans, Gucci, Ralph Lauren und Forever 21 haben bereits virtuelle Welten in Roblox (Multiplayer-Online-Plattform) geschaffen, in denen Nutzer mit ihren Produkten interagieren können.
Laut einer Studie von Accenture wird sich der Social Commerce bis 2025 weltweit auf 1,2Bio. Dollar verdreifachen. 2023 könnte daher das Jahr des „Social Commerce“ werden, da immer mehr Einzelhändler immersive Einkaufserlebnisse schaffen.
Ladenmodernisierung als höchste Priorität
Das traditionelle Geschäft und seine oberflächliche Funktion werden in diesem Jahr eine Wiedergeburt erleben: Sie entwickeln sich zu Multifunktionsräumen, die nicht mehr nur für das Ausstellen und Verkaufen genutzt werden, sondern auch für Mikro-Fulfillment, Rücksendungen und als Customer Service Hubs.
Es ist zu erwarten, dass die Läden einen größeren Anteil an Online-Retouren abwickeln werden. Da der Prozentsatz von Rücksendungen insgesamt steigt, werden Einzelhändler auch die Gebühren oder Versandkosten für die Rücksendung von online gekauften Artikeln erhöhen, was dazu führt, dass die Kunden für diese Rücksendungen vermehrt physische Geschäfte nutzen.
Zudem ist davon auszugehen, dass Buy Online Pickup In Store (BOPIS) als Fulfillment-Methode weiter zunehmen wird. Einzelhändler optimieren ihre Logistikkosten, um die Gewinnspannen für den Online-Verkauf aufrechtzuerhalten. Deshalb werden sie Wege finden, Anreize für BOPIS zu schaffen. In der Hoffnung die Gesamtversandkosten zu senken und gleichzeitig die Kundenfrequenz im Laden zu erhöhen, werden sie entweder die Versandkosten weitergeben oder Preisnachlässe für BOPIS gewähren.
Zusammenarbeit als Schlüssel für den Erfolg
Je flexibler und agiler die Lieferkette ist, desto mehr Integration in breitere Systeme wird erforderlich sein. So können Unternehmen die Kompetenzen ihrer Partner als Teil eines breiteren, umfassenderen Portfolios nutzen. Anstatt einzelner, miteinander konkurrierender Unternehmen wird in diesem Jahr mehr Rivalität zwischen konkurrierenden Systemen in Bezug auf Technologie, Produkte und Markteinführungsstrategien zu beobachten sein.
Eine sich entwickelnde Zahlungslandschaft
Das Interesse an bargeldlosen Zahlungsoptionen und E-Wallets wird in diesem Jahr anhalten. Für Unternehmen wird es von entscheidender Bedeutung sein, diese neuen Technologien in ihre Laden- und Online-Systeme zu übernehmen und zu nutzen, wenn sie mit den zunehmend digital versierten Verbrauchern Schritt halten wollen.
Da sich die Lebenshaltungskosten-Krise in diesem Jahr bemerkbar machen wird, werden Einzelhändler versuchen, ihren Kunden flexiblere Zahlungsmöglichkeiten zu bieten. Daher ist zu erwarten, dass die Funktion „Jetzt kaufen, später bezahlen“ weiter stark zunehmen wird.