Logistik-Effizienz für 10.000 Küchenmöbel pro Tag

Häcker Küchen hat mit seinem Werk 5 eine der modernsten Produktionsstätten für Küchenmöbel realisiert. Die Value Chain Software Viadat zeigt dabei, dass sie weit mehr als ein Warehouse Management System ist: Viadat bindet nicht nur eine Vielzahl von Logistik-Systemen ein, sondern managt auch die Prozesse der Produktionsversorgung und übernimmt Aufgaben eines Manufacturing Execution Systems (MES). Die Software schafft die Basis für die Produktion einer variantenreichen Küchen-Linie zu marktfähigen Preisen.
 Viadat versorgt alle Arbeitsplätze und Maschinen mit den jeweils aktuell benötigten Bearbeitungsinformationen für jedes einzelne Bauteil.
Viadat versorgt alle Arbeitsplätze und Maschinen mit den jeweils aktuell benötigten Bearbeitungsinformationen für jedes einzelne Bauteil.Bild: viastore SYSTEMS GmbH

Venne im Osnabrücker Land – ein Dorf zwischen Berg und Moor. Der Weg dorthin führt durch viel Grünland, entlang plätschernder Bachläufe, durch gelbe Kornfelder. Bis am Horizont ein großer Industriebau erscheint, der nicht so recht in das idyllische Bild passen will. Es handelt sich um den neusten Standort von Häcker Küchen, dem Werk 5. Häcker ist mit insgesamt mehr als 2.000 Mitarbeiter an den Standorten Venne und Rödinghausen und einem Umsatz von 646Mio. Euro im Geschäftsjahr 2020 einer der großen Küchenhersteller in Deutschland.

Im August 2020 ging das Werk 5 nach weniger als zwei Jahren Bauzeit in Betrieb. Rund 300 Mitarbeiter auf einer Produktionsfläche von rund 110.000m² fertigen hier Möbel für Einbauküchen. „Die Investition in das neue Werk war die größte in der Firmengeschichte“, erklärt Dirk Krupka, Geschäftsführer Technik bei Häcker. „Die Kapazitäten unseres Standorts Rödinghausen waren komplett ausgelastet, etwaige Störungen in der Fertigung dort hätten sich direkt auf den Liefertermin beim Kunden ausgewirkt.“ Allein deshalb war eine Ausweitung der Fertigungskapazitäten notwendig.

Produktion einer neuen, enorm variantenreichen Küchenlinie

„Zudem haben wir eine neue Produktlinie auf den Markt gebracht, die wir in keinem unserer bisherigen Werke so hätten fertigen können.“ Krupka spricht von der Produktlinie Systemat 3.0, einer hochwertigen, designorientierten Küche, die in einem 13er-Raster noch mehr Möglichkeiten bei der Küchenplanung bietet. Schon beim Designkorpus können Kunden zwischen drei Farben wählen. Die Fronten lassen sich in 192 RAL-Farben lackieren oder können mit Kunststoff- und Echtholzfronten gewählt werden. Zudem stehen unterschiedliche Beschlagsysteme zur Wahl. Das bedeutet: Keine Küche gleicht der anderen. „Der logistische Anspruch ist recht extrem. Wir fertigen ausschließlich kundenauftragsbezogen, das heißt, wir haben eine komplette Losgröße-1-Fertigung“, betont Dirk Krupka.

Gesteuerte Materialflüsse durch das gesamte Werk

Um dies zu erreichen, war das Ziel bei der Planung des neuen Werks, den Materialfluss komplett durchzusteuern. „Es gibt keinen nicht-definierten Materialzustand“, erläutert Friedbernd Bartels, Leiter der Abteilung Technische Projekte bei Häcker. „Jede Materialbewegung wird nach dem Quelle-Ziel-Prinzip gesteuert und jede Bewegung, jeder Arbeitsschritt, an das System zurückgemeldet.“ Die Besonderheit dabei: Diese Steuerung der Materialflüsse im gesamten Werk erfolgt über die Software Viadat von Viastore. „Wir kannten Viastore und die Möglichkeiten der Software, die weit über ein Lagerverwaltungs- und Materialfluss-Management-System hinausgehen. Schon unser erstes Hochregallager hatten wir 1999 mit Viastore gebaut“, berichtet Krupka. In zahlreichen Gesprächen und Workshops kam Häcker zur Überzeugung, dass Viadat auch die Aufgaben einer klassischen Produktionssteuerung übernehmen soll, die von der Materialverfolgung bis hin zum Monitoring der Bewegungen reicht. „Die von Häcker geforderte Produktionsversorgung und -entsorgung sind für Viadat eine übliche Anforderung“, betont Peer Leemhuis, der das Projekt seitens Viastore betreute. Auch die Kopplung mit den Steuerungen von unterschiedlichen Logistik-Systemen und -Technologien sei Alltag für das System – auch wenn es davon im Werk 5 von Häcker einige mehr gibt als üblich: Neben einem 16-gassigen Hochregallager sind auch eine Elektrohängebahn, ein Shuttle-Lager, eine Portal-Kommissionierung sowie fünf Pick-by-Light- und zwei Put-to-Light-Lagerbereiche eingebunden. Darüber hinaus fungiert Vadat als Stapler- und FTS-Leitsystem mit neun fahrerlosen Transportfahrzeugen.

Komplexe Prozesse zeitgenau gesteuert

„Zudem beinhalten die Materialflüsse bei Häcker spezielle Anforderungen und Strukturen, die einzigartig sind“, sagt Leemhuis. Dies liegt zum einen daran, dass der Aufwand der Fertigung und die Varianz der verschiedenen Bauteile der Küchenschränke – Korpus, Front, Schubkästen – sehr unterschiedlich sind. Zum anderen muss die Fertigung einer Küche und der zugehörigen Schränke so getaktet sein, dass alle benötigten Komponenten pünktlich zum geplanten Liefertermin im Versand zusammenkommen – und das in der Reihenfolge, in der sie auf den Lkw zum Kunden, sprich Küchenhändler, geladen werden. Der gesamte Prozess beginnt damit, dass die Fertigung vom Ende her geplant wird. Ausgehend von der Lieferzeit wird der Auftrag für eine Küche aufgelöst und berechnet, wann der Fertigungsprozess welcher Komponente starten muss, so dass alles am Ende des Gesamtprozesses pünktlich zusammenläuft. Krupka: „Die Aussteuerung unseres Fuhrparks – wir haben zurzeit knapp 100 Lkw – bestimmt letztlich unser Produktionsprogramm.“ Dabei werden alle Prozesse so gemanagt, dass sie in genau der Reihenfolge erfolgen, in der sie erforderlich sind. Das garantiert schlanke Betriebsabläufe und kurze Durchlaufzeiten.

Verschiedene Prozessstränge bei der Korpus-Montage

Um den unterschiedlichen Varianzen und damit Fertigungsaufwänden der verschiedenen Bauteile eines Schranks gerecht zu werden, hat Häcker die Fertigung in verschiedene Prozesse aufgeteilt: Die Korpusbauteile werden in A-, B- und C-Teile unterschieden. A-Teile sind Baugruppen, die sehr häufig in gleicher Variante benötigt werden – z.B. Standard-Unterschränke in Weiß. Sie werden direkt aus dem Hochregallager (HRL) auf Paletten über die Elektrohängebahn (EHB) an das fahrerlose Transportsystem übergeben und zur Montagestation transportiert. Viadat erhält die entsprechende Nachschubanforderung über eine Datenbankschnittstelle von der Endmontagelinie. Zudem ist Viadat das führende System für das FTS: Es übernimmt die Auftragssteuerung, die Erfassung und verbucht die Ladeeinheit mit dem jeweiligen Bestand.

Die Kommissionierung der B- und C-Teile ist komplexer, da hier die Varianz deutlich höher ist: Dazu gehören zum Beispiel Hochschränke oder auch farbige Korpusseiten. Ein Teil der Bauteile wird vom HRL über die EHB in eine automatische Kommissionierstation transportiert und dort von 6-Achs-Robotern auf Paletten gelagert. Diese werden entweder direkt an die Montagestationen gebracht, durchlaufen erst noch eine Bearbeitung oder werden in einem Pufferlager zwischengespeichert. Dirk Krupka: „Durch die verschiedenen Pufferlager können wir die logistischen Abläufe voneinander entkoppeln und damit eine höhere Prozesssicherheit erreichen.“ Andere Teile stammen aus der Oberflächenbearbeitung oder werden manuell ausgelagert und laufen über verschiedene Lager in einen Kommissionierbereich. Hier werden sie auf Stapel kommissioniert und anschließend in die Montage transportiert. Viadat organisiert sämtliche Transporte und Lagerbewegungen, verwaltet die jeweiligen Bestände, stellt die Dialoge und Daten für die Bearbeitungsstationen bereit.

Fronten und Schubkästen Just-in-Sequence

Ähnlich komplex ist der Prozess für die Fronten: Aus dem HRL oder der Oberflächenbehandlung stammend, werden sie in einem Shuttle-Lager zwischengelagert, wobei die Einlagerung manuell erfolgt und so noch eine Qualitätskontrolle der einzelnen Fronten und Bretter möglich ist. Durch die Pufferung wird erreicht, dass eine Palette mit den erforderlichen Rohfronten je nach Bedarf in frei konfigurierbaren Zeitpunkten aus dem Hochregallager ausgelagert wird. Von dieser Palette werden nur die Teile abkommissioniert, die für den kommenden Arbeitstag benötigt werden. Die Tablare werden sequenzgerecht aus dem Puffer ausgelagert und an eine Entnahmestation transportiert, an der Portalroboter die Fronten für die Weiterverarbeitung entnehmen. Anschließend erfolgt der Transport – falls erforderlich – zu Bohranlagen, in denen die Bretter gelocht und mit Scharnieren versehen werden. Danach konfektionieren Roboter die so vorbereiteten Fronten in sogenannte Hordenwagen, in denen sie schließlich in die Montage gelangen, wo sie mit dem Korpus verheiratet werden. Auch hier steuert Viadat sämtliche Lager- und Transportbewegungen, übernimmt die Bestandsverwaltung im Shuttle-Lager und versorgt die Arbeitsplätze und Maschinen mit den relevanten Bearbeitungsinformationen.

Parallel dazu werden die Schubkästen gefertigt und in einem Pufferlager zwischengespeichert. „Über die Steuerung der Fertigungsanlagen wissen wir, wann welcher Korpus freigegeben wurde“, erklärt Krupka. „Synchronisiert dazu kommen die Auszüge und Schubkästen hinzu und treffen zusammen mit den Beschlägen und den zugehörigen Fronten zeitgenau auf den zu ihnen gehörenden Korpus.“ Dazu werden sämtliche Transporte in die Montage von Viadat just-in-time und just-in-sequence organisiert sowie die Bestände genau erfasst und verwaltet. Friedbernd Bartels ergänzt: „Dabei werden die Bauteile nicht über Aufkleber oder Barcodes auf den Bauteilen identifiziert. Die Reihenfolge, in der die Komponenten durch die Produktion geschleust oder kommissioniert werden, erfolgt absolut beleglos.“ Das bedeutet, Viadat weiß zu jedem Zeitpunkt, wo sich welches Bauteil aktuell befindet.

Enormes Transaktionsvolumen

Auch wenn Viadat die Produktionsversorgung standardmäßig beherrscht, stellte die Produktion bei Häcker das System vor eine Herausforderung, wie Leemhuis weiter berichtet: „Wenn man bedenkt, dass jeder Schrank aus vielen Teilen besteht, jedes Teil mehrere Prozessschritte durchläuft und dabei jedes Mal in Viadat eine Auftragsposition darstellt, ist das resultierende Transaktionsverhalten in Viadat enorm hoch.“ So hat Viastore im Rahmen des Projekts die Datenbanken, mit denen Viadat arbeitet, noch einmal optimiert.

Mehr als ein WarehouseManagement-System

„In der Summe haben wir im neuen Werk eine Produktion realisiert, mit der ein enorm variantenreiches Spektrum zu marktfähigen Preisen gefertigt werden kann“, zieht Dirk Krupka ein positives Fazit. Viastore sieht er als einen wichtigen System-Lieferanten: „Mit Viastore hatten wir bei der Projektrealisierung einen zuverlässigen Partner, mit dem wir das System trotz Zeitdruck pünktlich umsetzen konnten.“ Zudem hat Häcker durch den Einsatz von Viadat in der Produktion die Zahl der System-Schnittstellen reduziert, um eine stabile Produktion zu erreichen. „Mit Viadat konnten wir Prozesse umsetzen, die das Fundament für die hohe Qualität beim Kunden sind. Wir sind der absoluten Überzeugung, dass sich über die Logistik der Wettbewerb entscheidet“, sagt Krupka, und ergänzt: „Viadat hat gezeigt, wie viel Potenzial in ihr steckt – mit dem Begriff Warehouse-Management verkauft es sich ganz klar unter Wert.“ www.viastore.com

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