Ist meine Lagerstruktur ineffizient, veraltet, gar ein Auslaufmodell? Diese Frage stellt sich früher oder später jedem Logistiker, der bemerkt, dass das Leistungsniveau seiner Bestandsanlagen sinkt, Ersatzteile nur noch schwer zu organisieren sind oder die Kapazität schlichtweg nicht mehr ausreicht, um eine steigende Nachfrage zu bedienen. Wenn dies der Fall ist, wird es – vielleicht sogar höchste – Zeit für eine Modernisierung oder Erweiterung. Doch was heißt das eigentlich konkret? Was kommt auf den Logistiker zu, sowohl strategisch, technologisch als auch organisatorisch? Und wie kann ein Erneuerungsprozess im besten Fall schon in weiser Voraussicht eingeleitet werden, um kontinuierlich ‚am Ball zu bleiben‘, statt in einem Hauruckverfahren disruptive Veränderungen vorzunehmen?
Zwei Ausgangssituationen
Zwei Ausgangssituationen liegen der Modernisierung beziehungsweise Erweiterung zugrunde. Zum einen: Ein bestehendes Lagersystem ist bereits automatisiert. Zum anderen: Ein Altsystem funktioniert rein manuell. Wird im ersten Fall die Technologie immer unwirtschaftlicher, sind höchstwahrscheinlich Updates, Upgrades oder neue Automatikkomponenten erforderlich. Reicht im zweiten Fall die Kapazität nicht mehr aus, steht ein grundlegender strategischer Wandel bevor: Ein Unternehmen entscheidet sich erstmals für die Automatisierung seiner Lager- und Kommissionierprozesse – mit allem, was daraus folgt.
Gründliche Analyse
Hier wie dort steht am Anfang jeder zielführenden Modernisierung eine gründliche Analyse. Soll und Ist werden miteinander verglichen, Fehlerquellen, Risiken und Hemmnisse aufgedeckt. In automatisierten Anlagen ist ein halbjährliches oder jährliches Gesamt-Audit üblich. Hinzu kommen regelmäßige Kontroll- und Wartungsintervalle, die zur Problemerkennung beitragen. Als besonders effektiv erweist sich hier das „Condition Monitoring“. Ein intelligenter Mix aus Software, Hardware und Sensorik sorgt beim Condition Monitoring für eine permanente Zustandsüberwachung eines automatischen Logistiksystems. Condition Monitoring bietet nicht nur die Möglichkeit von Ad-hoc-Korrekturen, es lässt auch die Nutzung von Big Data zum Zweck einer ‚Predictive Maintenance‘ zu.
Präziser Plan
Wird durch ein Audit offensichtlich, wo die Defizite liegen, folgt ein präzise ausgearbeiteter Modernisierungsplan. Dieser muss sowohl auf die Gegenwart als auch auf die Zukunft ausgerichtet sein sowie eine günstige Kosten-Nutzen-Relation und einen schnellen Return on Investment im Blick haben. Einen Plan dieser Art zu erarbeiten, ist komplex, erfordert enormes Fachwissen und einen möglichst großen Erfahrungsschatz.
Bei der Erstellung kommt es auf drei entscheidende Punkte an: Erstens, die Bestimmung und Kalkulation der passenden, sich schnell amortisierenden Logistiktechnologie – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Simulationen und Virtual Reality. Zweitens, die Erstellung eines realistischen Zeitplans zu deren Implementierung. Und drittens, die Vorgabe einer Installation während des laufenden Betriebs, damit dem Auftraggeber keine oder nur geringe Ausfälle entstehen.
Geeignete Logistiktechnologien
Fokussieren wir uns auf die Logistiktechnologie. Eine Bestandsautomation, wie z.B. ein Paletten- oder Kleinteilelager mit Regalbediengeräten, kann sich nach gründlicher Prüfung als die für den Anwender weiterhin wirtschaftlichste Lösung erweisen. Dann reicht es zur Modernisierung vermutlich aus, Motoren zu ersetzen, Verschleißteile zu erneuern oder eine zeitgemäße Software zu nutzen. Prinzipiell müssen Hard- und Software im Gleichgewicht zueinander stehen, um das Beste aus einer Technologie herauszuholen. Ist ein Bestandssystem allerdings überholt, weil sich zum Beispiel das Geschäftsmodell des Anwenders geändert hat, läuft eine Modernisierung auf komplett neue Technologien hinaus. Zu Geschäftsmodellen dieser Art zählt der wachsende Bereich E-Commerce, der Logistiker vor besondere Herausforderungen beim Handling und bei der Dynamik von Materialflüssen stellt.
Ob Bestandsautomation oder nicht, ein weiterer relevanter Faktor bei der Modernisierung oder Erweiterung ist die Flexibilität. Der Grund: Immer mehr Märkte entwickeln sich volatil, sind damit schwer berechenbar und erfordern Systeme, die mitwachsen, aber auch bei Bedarf reduziert werden können. Intralogistik muss mehr denn je wandlungsfähig sein, um auch in ‚unsicheren Zeiten‘ zu bestehen. Modularität, Mobilität und Individualisierbarkeit sind Trumpf. Der Markt hat auf dieses Anforderungsprofil bereits reagiert und bietet entsprechende Technologien an. Dazu zählen zum Beispiel die Systeme CarryPick und AutoStore sowie Lösungen, die mit Shuttles operieren.
Flexible, modulare und mobile Lösungen
Schauen wir uns als Beispiele die Technologien CarryPick und AutoStore genauer an. CarryPick ist ein System von dem Intralogistik-Spezialisten Swisslog, dessen Funktion darauf beruht, dass mobile Roboter unter mit Gütern beladene Regale fahren, um diese zu mobilen Arbeitsstationen zu bringen. Aufgrund seiner vergleichsweise hohen Belastbarkeit, kombiniert mit einem auf Flexibilität ausgelegten Regaldesign, eignet sich CarryPick einerseits für eine Vielzahl unterschiedlichster Artikel. Andererseits ist die Technologie nahezu beliebig ausbaufähig und veränderbar. Sie kommt mit einfachen Industrieböden und niedrigen Decken aus und stellt allgemein geringe Anforderungen an eine Logistikimmobilie. Damit eignet sich ein System wie CarryPick auch für die Erst-Automatisierung in ’schwierigen‘ Bestandsgebäuden.
Systeme wie AutoStore sind vor allem eine sinnvolle Wahl, wenn es auf hohe Dynamik in Verbindung mit dem Wunsch nach einer sehr hohen Lagerdichte ankommt. AutoStore ist modular aufgebaut und dadurch sehr flexibel einsetzbar. Wie CarryPick ist damit auch AutoStore gut für Bestandsimmobilien geeignet. Im so genannten Grid reiht sich Behälterschacht an Behälterschacht. Roboter sorgen für die Ein- und Auslagerung sowie den Transport der Waren an verschiedene, wählbare Arbeitsplätze. Durch den modularen Aufbau kann das System schnell an sich veränderliche Bedarfe angepasst werden. Wird beispielsweise mehr Lagerfläche gebraucht, kann einfach das Grundraster um Schächte erweitert werden. Ist mehr Leistung erforderlich, werden Roboter und/oder Arbeitsplätze hinzugefügt.
Shuttle-Systeme sind für Modernisierungs- und Erweiterungsprojekte ideal, die, ähnlich wie bei AutoStore, platzsparend und deshalb ressourcenschonend sein sollen, darüber hinaus aber besonders hohe Ansprüche an die Schnelligkeit eines Materialflusses stellen. Ob für Paletten-Ware oder Kleinteile, Shuttle-Lösungen haben hier mehrere Vorteile: Sie sind mit mehrfach tiefen Regalen konstruiert und damit kompakt. Ein- oder Mehrebenen-Shuttles sind flexibel einsetzbar. Zudem kann die Anzahl der Shuttles nach oben oder unten variiert werden. Alle Faktoren sorgen gemeinsam für eine zukunftsfähige Skalierbarkeit.
Moderne Software
Zusätzlich zu jeder Intralogistiktechnologie – aber auch unabhängig von dieser, wenn Prozesse weiterhin von Hand erledigt werden – gehört zu einer zukunftstauglichen Modernisierung oder Erweiterung eine leistungsfähige Software. Ohne ein modernes Warehouse-Management-System, ohne Digitalisierung kommt auf Dauer kein Unternehmen mehr aus. Papiergebundene, analoge Arbeiten werden ersetzt, Steuerungen synchronisiert und optimiert, Daten gesammelt und ausgewertet. Und ebenso für die Software gilt: Flexibel muss sie sein, im besten Fall modular aufgebaut und aus einem Baukasten nach Bedarf konfigurierbar. Swisslog bietet mit SynQ zum Beispiel eine Software-Lösung an, die neben Kern-WMS-Funktionen auch eine Vielzahl frei wählbarer intelligenter Services bietet.
Fortlaufender Prozess
Das Fazit ist: Modernisierung und Erweiterung sind anspruchsvolle Aufgaben, die eine gründliche Analyse, einen präzisen Plan und dessen reibungslose Umsetzung erfordern. Häufig ist es zielführend, manuelle gegen automatisierte Systeme zu ersetzen. Je flexibler diese Systeme sind, desto besser eignen sie sich für einen volatilen Markt. Je digitaler sie sind, desto aussagekräftiger werden sie in Bezug auf jede gegenwärtige und künftige ‚Kurskorrektur‘. Big Data liefern dazu eine profunde Basis. Werden die Daten permanent erhoben und genutzt, wird aus einer zeitlich begrenzten Modernisierung, die in Intervallen stattfindet, ein fortlaufender Prozess. Der große Vorteil: Die Logistik ist immer am Puls der Zeit.