Ganzheitliche Prozessoptimierung

Auf Basis von Supply-Chain- und Betriebsdaten lassen sich mit Hilfe moderner ML- und KI-Anwendungen Optimierungspotentiale in der Lieferkette sichtbar machen. Im Interview erklärt Michael Brandl, Executive Vice President EMEA Operations, Körber Supply Chain Software, wie sich mit intelligenten Warehouse Execution Systemen die Prozesse verbessern lassen und weshalb der Einsatz von AMRs massiv zunehmen wird.
 Michael Brandl, Executive Vice President EMEA Operations, Körber Supply Chain Software.
Michael Brandl, Executive Vice President EMEA Operations, Körber Supply Chain Software.Bild: Körber AG

– Herr Brandl, welches sind aktuell die größten Herausforderungen für einen reibungslosen Lagerbetrieb?

Michael Brandl: Die größten Herausforderungen bestehen aktuell darin, der Verfügbarkeit von Waren durch verlangsamte Lieferketten wie auch fehlende Ladehilfsmittel (im Speziellen Wechselbrücken und Container) Herr zu werden. COVID, insbesondere Omikron durch seine höhere Infektionsrate, hat dabei einen noch größeren Einfluss. Schon seit Beginn der Pandemie kaufen Konsumenten weniger vor Ort, sondern vielmehr online ein, um sich selbst vor Ansteckung zu schützen. Dadurch ist es zu einem massiven Anstieg des E-Commerce im B2C-Bereich gekommen. Bedingt durch COVID hat der Markt, der sowieso bereits unter Arbeitskräftemangel leidet, auch mit einem höheren Krankenstand zu kämpfen. Diese Situation wurde durch Regeln und Einschränkungen noch weiter verstärkt und bleibt weiter angespannt. Es ist also weniger der Markt, sondern vielmehr die Belieferung des Markts als Engstelle zu sehen. Aktuell wird davon ausgegangen, dass eine Beruhigung erst Mitte 2023 wieder vollständig eingetreten sein wird.

– Wie wirkt sich diese Entwicklung auf den Kundenservice aus?

Brandl: Dadurch, dass Kunden anstatt direkt im Geschäft einzukaufen ihre Einkäufe online tätigen, ist die Erwartungshaltung nach wie vor, das Gekaufte so schnell wie möglich am Wunschort zu erhalten.

Entsprechend sind Unternehmen dazu angehalten, trotz erschwerter Umstände weiterhin den gleichen Service zu liefern. Das heißt trotz weniger Mitarbeitern, die krankheits- oder regelungsbedingt ausfallen, müssen Unternehmen ihre Produktivität aufrechterhalten. Das wiederum macht Prozessanpassungen nötig.

Für Körber als Supply-Chain-Technologieexperten heißt dies dann, dass Anfragen zur Unterstützung bei Sonderschichten oder Anpassungen für Prozessoptimierungen umso kurzfristiger werden. Auch im IT-Sektor herrscht Arbeitskräftemangel, was die Situation erschwert.

– Wie kommt hier die Digitalisierung ins Spiel? Mit welchen Lösungen können konkret welche Probleme adressiert werden?

Brandl: Speziell mit der Verschmelzung einer End-2-End Supply-Chain-Lösung wird nach ganzheitlichen Optimierungen gestrebt. Es geht nach wie vor um die Visibilität entlang der gesamten Supply Chain: vom Warenlager bis hin zum Endkunden. Softwarelösungen gibt es dazu viele. Vom Warehouse Management System (WMS) und Transport Management System (TMS), über das Distributed Order Management System (DOM) bis hin zu Proof of Delivery (POD). Das WMS steuert die effiziente Verwaltung sämtlicher Prozesse, Bestände und Ressourcen im Lager oder Distributionszentrum, während das TMS die operative Transportdurchführung plant und steuert. In Supply Chain Netzwerken mit mehreren Standorten und Lagern ist häufig eine „übergeordnete Instanz“ notwendig. Ein Distributed Order Management System (DOM) optimiert hier die Prozesse und Warenflüsse zwischen Lager, Transport und Warenwirtschaft auf Netzwerkebene. Die Sendungsverfolgung mit Proof of Delivery (POD) bietet dann Transparenz bis zur letzten Meile zum Endkunden in Echtzeit. Mit der Integration dieser Systeme ist auch die Voraussetzung für integrierte Supply-Chain-Prozesse geschaffen, die die Visibillität über die Lieferkette End-to-End ermöglicht.

Darüber hinaus ermöglicht die Digitalisierung der Supply-Chain-Abläufe auch die Erfassung umfangreicher Daten aus dem operativen Betrieb, die wiederum die Basis für die Anwendung von Maschinellem Lernen (ML) und Künstlicher Intelligenz (KI) stellen, und damit neue Einsichten und Potentiale zur Optimierung der Lieferkettenabläufe bieten.

Abgesehen davon gibt es sowohl bewährte wie auch neuere Technologien. Zum einen geht es hier um sprachgeführte Lösungen, die mit einem intelligenten Warehouse Execution System Prozesse optimieren können – z.B. wie effizienter kommissioniert wird in Abhängigkeit von Aufträgen und Standort von Produkten im Warenlager. Andererseits sehen wir hier einen starken Zuwachs im Bereich autonomer mobiler Roboter (AMR). Diese arbeiten Seite an Seite mit Arbeitern im Lager und finden sich dort alleine zurecht. Das heißt, anstatt Mitarbeiter zu ersetzen, machen sie diese produktiver, indem sie die Wegstrecken übernehmen. Unserer Einschätzung nach wird es zu einem massiven Ausbau der AMR-Technologie im Lager kommen, um dem Arbeitskräftemangel im Lager besser begegnen zu können.

– Mit welcher Lösung reagieren Sie auf die Situation?

Brandl: Wir sehen einen Trend zur ganzheitlichen Prozessoptimierung (end-to-end) gepaart bzw. unterstützt durch den Einsatz von Technik. Wir von Körber sind für Optimierungen durch Automatisierung im herkömmlichen Sinne mit unserem leistungsstarken, herstellerunabhängigen K.Motion WCS optimal aufgestellt. Ebenso für die Integration flexibel einsetzbarer, autonomer mobiler Roboter. Letztendlich lassen sich unter diesen Rahmenbedingungen die Aufgaben und Herausforderungen am besten und vor allem schnellsten durch Prozessoptimierungen lösen.

– Wie sieht es hier mit dem Return on Investment aus? Sind Unternehmen eher zurückhaltend bei Investitionen in diese Lösungen?

Brandl: Tatsächlich zeigen sich Unternehmen sehr investitionsfreudig. Die Nachfrage nach komplexen Lösungen und damit längerfristigen Investitionen hat eher zugenommen. AMR-Technologie ist ein gutes Beispiel, wenn es um Flexibilität und Kostenaufwand geht. Diese lässt sich in der Regel gut in den laufenden Prozess integrieren. Dank der Option eines Servicemodells (Robots as a Service) kann man die Grundinvestitionen gering halten. Wenn das Unternehmen bzw. der Durchsatz wächst oder saisonabhängig ansteigt, können flexibel mehr Roboter angemietet werden. Wenn die Nachfrage wieder abnimmt, werden die Roboter einfach zurückgegeben. Entsprechend können die Kosten im Vergleich zum Kauf gering gehalten werden.

– Welche Faktoren sind letztendlich entscheidend, wenn eine Auswahl getroffen wird?

Brandl: Effizienz ist hierbei der entscheidende Faktor – und dass man die bestehende Belegschaft effektiv einsetzt. Diesen Trend verspüren wir schon seit vielen Jahren in D-A-CH; er scheint aber vermehrt auch im außereuropäischen Raum angekommen zu sein. Wie zuvor erwähnt bringen hier z.B. autonome mobile Roboter den Vorteil, dass sich Personal auf wertschöpfende Aufgaben konzentrieren kann, statt einen Großteil an Zeit damit zu verbringen, lange Wegstrecken zwischen Lagerplätzen beim Kommissionieren zurückzulegen.

– Wie lässt sich Unternehmen das

Kosten-Nutzen-Verhältnis klarmachen?

Brandl: Hier gibt es zwei Ansätze. Einerseits ist es uns möglich, bei bestimmten Technologien Kalkulationen zu erstellen, die das ROI klar darstellen. Andererseits haben wir auch die Möglichkeit, dem Kunden anhand von bereits umgesetzten Kundenprojekten bzw. Fallstudien an Praxisbeispielen zu zeigen, welche quantitativen und qualitativen Nutzen und Effekte sie erwarten können.

– Wie, denken Sie, wird sich die Situation im Laufe der nächsten Jahre weiterentwickeln?

Brandl: Der Einsatz von AMR – gestützt durch intelligente AI/AA-Prozesse – wird massiv zunehmen. Das wird Unternehmen dabei helfen, mit Voraussicht zu planen, Trends zu erkennen und kritische Ereignisse besser antizipieren zu können. Die Automatisierung wird noch weiter zunehmen und letztendlich wird – zumindest in der Vorwärtslogistik – der Mensch immer weniger in den operativen Lagerprozess integriert sein.

– Herr Brandl, ich bedanke mich für das interessante Interview und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg.

www.koerber-supplychain.com

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