Digitalisierung in Logistik und Produktion

Engelbert Strauss ist gemeinsam mit seinem Partner TGW Logistics Group beim Deutschen Logistikpreis 2020 der Bundesvereinigung Logistik (BVL) als Finalist und Vizeplatzierter ausgezeichnet worden. Geehrt wurden beide Unternehmen für das Projekt "CI Factory - Vernetzung und Digitalisierung in Logistik und Produktion".
 Im AKL, mit 450.000 Stellplätzen, werden Ganzkartons und Behälter gelagert - aus dem Wareneingang oder von den Umpackplätzen. Es dient als Zwischenlager für Ganzkartons, vor allen Dingen aber der Produktionsversorgung: Das AKL versorgt insbesondere die gläserne Produktion und das Shuttle.
Im AKL, mit 450.000 Stellplätzen, werden Ganzkartons und Behälter gelagert – aus dem Wareneingang oder von den Umpackplätzen. Es dient als Zwischenlager für Ganzkartons, vor allen Dingen aber der Produktionsversorgung: Das AKL versorgt insbesondere die gläserne Produktion und das Shuttle.Bild: TGW Logistics Group GmbH

1946 gegründet, ist Engelbert Strauss zu einem der gefragtesten Textil-Labels im letzten Jahrzehnt aufgestiegen. Das Unternehmen ist entscheidend dafür verantwortlich, dass sich Berufskleidung heute moderner und individueller denn je zeigt. Darüber hinaus wird sie gerne von der ganzen Familie getragen – bei Freizeit- und Outdoor-Aktivitäten. Neben einer Modernisierung der Designs, die aus dem schlichten Blaumann ein schickes Outfit machten, spielte auch die Einführung von Berufskleidung, individuell gebrandet nach Corporate Design Vorgaben des Kunden, eine entscheidende Rolle für die steigende Beliebtheit von Engelbert Strauss.

Engelbert Strauss‘ Vision war es, die Herstellung auch kleinster Mengen individueller Berufskleidung nach Corporate Design zu ermöglichen. Dies sollte nicht bei der Bekleidung aufhören. Individuelle Firmenschuhe waren der nächste logische Schritt zum professionellen Erscheinungsbild – von Kopf bis Fuß. So entstand die Idee der Gläsernen Schuhfabrik.

Vereinen von Vision und Wachstum

 Matthias Fischer, Leiter Operative Projekte bei Engelbert Strauss: "Wenn wir langfristig erfolgreich sein wollen, müssen wir uns einzigartig positionieren. Das gelingt uns mit der CI Factory."
Matthias Fischer, Leiter Operative Projekte bei Engelbert Strauss: „Wenn wir langfristig erfolgreich sein wollen, müssen wir uns einzigartig positionieren. Das gelingt uns mit der CI Factory.“Bild: TGW Logistics Group GmbH
 Martin Waldenberger, Sales Project Manager, TGW Logistics Group:"Das Besondere der Ware-zur-Person Kommissionierung ist die hohe Pickleistung, die durch das Zusammenspiel von Hochleistungs-Shuttle und revolutionären Kommissionierstationen erzielt wird."
Martin Waldenberger, Sales Project Manager, TGW Logistics Group:“Das Besondere der Ware-zur-Person Kommissionierung ist die hohe Pickleistung, die durch das Zusammenspiel von Hochleistungs-Shuttle und revolutionären Kommissionierstationen erzielt wird.“Bild: TGW Logistics Group GmbH

2012 stieß Engelbert Strauss erstmals an die logistische Kapazitätsgrenze. Eine unternehmensinterne Untersuchung ergab, dass auch die Einführung einer zweiten und dritten Schicht am Logistikstandort Biebergemünd den Anforderungen langfristig nicht gerecht wird. Ein Bedarf von zusätzlich min. 150 Mitarbeitern pro Schicht wurde für das bestehende Logistikzentrum ermittelt – ein nahezu aussichtsloses Unterfangen im für Fachkräfte umkämpften Frankfurter Großraum.

Kurzfristig konnte sich Engelbert Strauss mit der Anmietung von Teilbereichen und der Beschäftigung von Mitarbeitern des ehemaligen Logistikzentrums eines Katalogversenders in Frankfurt behelfen. Einen ersten Innovationsschub erfuhr der Standort Frankfurt durch das robotergestützte Projekt Stargate, mit dessen die Retoure automatisiert wurde.

Allerdings entsprachen weder die Kommissionierung noch die Hochregallager dem heutigen Standard. Durch das kontinuierliche Wachstum war eine höhere Lagerkapazität notwendig. Vor diesem Hintergrund ergriff Engelbert Strauss 2016 die Gelegenheit, eine Standortbestimmung der Logistik durchzuführen. Es wurde der Plan für die Umsetzung der CI Factory entwickelt. Mittels detaillierter Kosten/Nutzenanalyse – auch unter Berücksichtigung der sozialen und ökologischen Aspekte – entschied sich Engelbert Strauss für den Bau eines neuen Standortes mit höchstem Automationsgrad.

Innovation 1: Ganzheitliche Planung durch Digitalisierung und Vernetzung

Mensch, Maschinen und Produkte sind in der CI Factory miteinander intelligent vernetzt. Dies stellte eine enorme Herausforderung im Projekt dar. Daher war Engelbert Strauss von Beginn an klar, dass nur ein ganzheitlicher Planungsansatz zum Erfolg des Projekts führen kann. Entsprechend kamen zur Planung und Realisierung der CI Factory alle derzeit vorhandenen digitalen Mittel und Methoden über alle Lebenszyklusphasen des Projekts zum Einsatz – bis hin zur vollständigen Neuentwicklung eines Digital Twin.

Innovation 2: Digital Twin – virtuelles Abbild aller Projektphasen

Erstmalig kam bei einem Projekt dieser Größenordnung ein Digital Twin zum Einsatz. Der Digital Twin ist eine wesentliche Komponente für die erfolgreiche Planung, Umsetzung und Weiterentwicklung der CI Factory. Mit dem Digital Twin ist es gelungen, bereits weit vor dem Spatenstich sämtliche physischen Komponenten der Anlage datentechnisch zu erfassen, zu validieren und zu optimieren.

So konnten im Vorfeld bereits Einzeltests, Massentests und Prozessverifizierungen für alle geplanten Abläufe durchgeführt werden. Jedoch war dies nicht alles: Es war Engelbert Strauss auch möglich, über den Digital Twin Funktionalitäten, Strategien und logistische Abläufe abzubilden. Weltweit einzigartig ist hierbei, dass dies erstmalig in einer Emulation für eine Gesamtanlage dieser Art und Größe mit all ihren Komponenten und komplexen Zusammenhängen gelang.

Innovation 3: Gläserne Schuhfabrik – Einzelstücke zu Serienkosten

Die Gläserne Schuhfabrik ist ein Musterbeispiel für vernetzte Produktion. Aus einer Vielzahl von Komponenten werden Schuhe nach Corporate Design des Kunden hergestellt. Jeder Schuh kann individuell gestaltet sein – beispielsweise durch ein Aufbringen des Logos auf der Lasche, die Sohle in Firmenfarben, ein Slogan auf der Fersenkappe.

Die Planung erfolgt in Echtzeit. An die vollautomatisierte, von Robotern gestützte AMIR (Automatisierter Materialfluss über Roboter) Schuhproduktionsstraße werden die Aufträge digital übermittelt. Die Nachschubsteuerung läuft bedarfsgerecht und „eventorientiert“ ab. Mit anderen Worten: Geht die Bestellung ein, wird automatisch eine Nachschubsteuerung vom System initiiert – vollkommen selbstorganisiert und just in time.

Innovation 4: Corporate Fashion nach Maß

Menschen im Unternehmen sind unterschiedlich und haben unterschiedliche Bedürfnisse und Körper. Um möglichst für jeden Mitarbeiter das passende Outfit zu finden, in dem er sich wohlfühlt und sich gerne sehen lässt, gibt es bei Engelbert Strauss ein Baukastensystem. Hieraus kann der Kunde sein Outfit in Passform und Größe selbst zusammenstellen. Natürlich sind Farben und Materialien so abgestimmt, dass alles im Gesamterscheinungsbild harmonisch wirkt. Um dies zusätzlich nach Corporate Design zu individualisieren, wird die Kleidung u.a. bedruckt oder bestickt.

Innovation 5: Connected Warehouse and Production

Die CI Factory ist neben der Gläsernen Produktion auch ein logistisches Meisterwerk. Die vollautomatische und robotergestützte Logistik ist zugleich Produktionsver- und entsorgung der Gläsernen Schuhfabrik und Corporate Fashion Veredelung sowie ein robotergestütztes Omni-Channel Distributionszentrum zur Versorgung von Online-Kunden sowie Stores und Auslandsgesellschaften mit vollständig integriertem Retourenhandling.

Im AKL, mit 450.000 Stellplätzen, werden Ganzkartons und Behälter in den Maßen 650x450x430mm gelagert – aus dem Wareneingang oder von den Umpackplätzen. Das AKL verfügt über unterschiedliche Höhenklassen und definierte Breitenklassen – mit bis zu drei Kartons pro Fach. Es dient als Zwischenlager für Ganzkartons, die im Cross Docking Verfahren direkt in den Versand gefahren werden. Vor allen Dingen dient es aber der Produktionsversorgung: Das AKL versorgt insbesondere die Gläserne Produktion und das Shuttle.

Das Herzstück der Anlage ist das Ware-zur-Person-System: Dieses besteht aus einem Shuttle – gepaart mit Hochleistungs-Kommissionier-Arbeitsplätzen – vernetzt über ein hochperformantes Steuerungs- und WMS-System. Abgearbeitet werden bis zu 495 Orderlines pro Arbeitsplatz/Stunde, bis zu 1.000 Artikel werden pro Arbeitsplatz/Stunde kommissioniert und in Spitzenstunden bis zu 4.000 Pakete versendet.

Retourenmanagement

Engelbert Strauss legt auch gesteigerten Wert auf das Retourenhandling, da ein optimaler Rücksendeprozess einen Wettbewerbsvorteil darstellt. Die Retouren werden ebenfalls in der CI Factory bearbeitet. Nach Eingang erfolgt die Zuteilung auf die Retouren-Arbeitsplätze auslastungsgetrieben. Die Prüfung und Umverpackung der wiederverkaufsfähigen Artikel geschieht direkt an den Retourenarbeitsplätzen.

Blick in die Zukunft – Innovation stoppt nicht

Mit termingerechtem Hochlauf aller Produktions- und Logistikbereiche im August 2020 wurde die CI Factory vollständig in Betrieb genommen. Dennoch ist dies nicht der letzte Schritt. Ab August analysiert der Digital Twin den Anlagenbetrieb. So können Prozesse optimiert und Fehler erkannt werden. Auch können neue Auftragsstrukturen und Abläufe vor Übertragung auf die Anlage erst im Digital Twin getestet werden. Dies führt zu einer Effizienzsteigerung und Reduzierung von Stillstands- und Ausfallzeiten.

Die nächste Innovation wird im Bereich der Ware-zur-Person Kommissionierung realisiert. Aufgrund des Arbeitskräftemangels ist es nahezu unmöglich, Personal für die Abdeckung einer zweiten und dritten Schicht zu gewinnen. So ist der Ware- zur-Person Kommissionierbereich so gebaut, dass die WZP Kommissionierstationen problemlos in einer zweiten Phase 2021 schrittweise durch die innovativen, vollautomatischen Roboter-Pick-Stationen Rovolution von TGW, ausgezeichnet mit dem Austrian Robotics Award, erweitert werden können. Rovolution ist ein intelligentes, selbstlernendes Roboter-Kommissioniersystem, das flexibel Artikel selbstständig erkennt und kommissioniert.

Mit der neuen CI Factory und seinen zahlreichen Innovationen – insbesondere durch die Vernetzung von Gläserner Schuhproduktion und hochautomatisierter Lager und Versandlogistik – hat Engelbert Strauss den Grundstein für neues weltweites Wachstum gelegt.

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