Spürbare Verkehrsentlastung

Mit großer Fertigungstiefe produziert Engel Austria Kunststoff-Spritzgussmaschinen. Die Umstellung des Vormaterialtransports auf den Transportroboter Amadeus von DS Automotion brachte eine spürbare Entlastung der Verkehrssituation. Das FTS führt im Dreischichtbetrieb zusätzlich 100 Transportaufträge pro Woche durch.
 Amadeus begegnet dem Kleinlasten-FTF Sally von DS Automotion, der per Konturnavigation hauptsächlich Werkzeuge und Messmittel zu den Bearbeitungszentren bringt.
Amadeus begegnet dem Kleinlasten-FTF Sally von DS Automotion, der per Konturnavigation hauptsächlich Werkzeuge und Messmittel zu den Bearbeitungszentren bringt.Bild: DS Automotion GmbH

Kunststoffe sind kaum mehr aus unserer Welt wegzudenken. Von elektronischen Geräten über Autos bis zur Mülltonne enthalten viele Produkte zahlreiche Kunststoff-Spritzgussteile. Diese entstehen durch Einspritzen erhitzter Polymere oder Elastomere in oft sehr komplexe Formen. Deren Teile müssen mit hoher Präzision bewegt und mit enormen Kräften zusammengehalten werden.

Kunststoffmaschinen für die Welt

Engel Austria ist auf die Herstellung von Spritzgussmaschinen sowie kundenspezifischen, integrierten Gesamtlösungen mit Automatisierung, Prozesstechnik und Werkzeugprojektierung spezialisiert. Das 1945 gegründete Familienunternehmen gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Kunststoffmaschinen. Seine weltweit 6.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwirtschaften im Geschäftsjahr 2018/19 einen Jahresumsatz von 1,6Mrd. Euro. Damit gehört Engel zu den großen Playern in der österreichischen Industrie. Engel-Maschinen gehen von Produktionsstandorten in Österreich, China und Korea aus in die ganze Welt. Im Produktionsjahr 2018/19 entstanden allein am Hauptsitz in Schwertberg (OÖ) 2.850 Stück davon.

Transportaufgabe Rohteileversorgung

Die Produktion erfolgt mit großer Fertigungstiefe, einschließlich der spanabhebenden Bearbeitung der meisten Strukturteile. Diese findet in Schwertberg im Drei- bis Vierschichtbetrieb auf einem Maschinenpark mit mehr als 30 Bearbeitungszentren statt. Das Vormaterial für die Dreh-/Frästeile mit bis zu 520mm Durchmesser kommt aus einem voll automatisierten Stangenlager mit fünf Sägestationen. Dort entstehen auftragsbezogen die Rohlinge für die Bearbeitung. Diese gelangen in Wannenpaletten zu den Bearbeitungsmaschinen. Um die Abläufe an den Sägen optimal gestalten zu können, werden sie oft in einem Regal zwischengelagert, das als Pufferlager dient. In der Vergangenheit erfolgte dieser Transport ausschließlich per Gabelstapler. Die dabei zurückgelegten Transportwege in der Halle sind oft mehrere hundert Meter lang.

Prozessoptimierung gesucht

„Auf konventionelle Weise war unser anhaltendes Wachstum nicht mehr zu bewältigen, unsere Staplerfahrer hatten die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit erreicht“, erklärt Peter Nenning, Teamleiter Rohmateriallager, Säge, interne Transporte bei Engel, die Herausforderung, vor der das Unternehmen stand. „Abgesehen von der Schwierigkeit, qualifiziertes Personal zu finden, verhinderten die beengten Platzverhältnisse einen staufreien Verkehr mit mehr als drei Staplern gleichzeitig. Hinzu kommt, dass wir unser geschultes Personal grundsätzlich lieber für komplexe Aufgaben einsetzen wollen.“ Um die bestehende Mannschaft zu entlasten, startete Engel daher ein Pilotprojekt mit einem fahrerlosen Transportsystem (FTS). Auf der Grundlage ihrer Erfahrung aus der Fließmontage mit schienengebundenen Systemen entwarfen die Intralogistik-Experten bei Engel einen Anforderungskatalog mit 110 Punkten. Dabei hatten sie auch die Rolle eines FTS als Organisationsinstrument im Hinterkopf.

Komplexe Anforderungen

„Wir suchten eine Lösung, die sämtliche unserer Anforderungen aus einer Hand und innerhalb eines Gesamtsystems erfüllt“, berichtet Dipl.-Ing. Christoph Moser, Leiter Intralogistik bei Engel. „Dazu gehörte neben dem Paletten- und Kleinteiletransport auch die Integration von Sonderlösungen.“ Das schränkte das Feld der Anbieter bereits zu Beginn des Auswahlverfahrens erheblich ein. Nur wenige konnten komplexe Systeme mit gemischten Fahrzeugtypen und Navigationsverfahren anbieten. Aus der Evaluierung ging der FTS-Hersteller DS Automotion aus Linz als Sieger hervor. „Den Ausschlag gab neben dem rundum schlüssigen Gesamtkonzept die Fähigkeit des Herstellers, die Lösung sehr weit an Kundenerfordernisse anzupassen“, erinnert sich Moser. „Zudem sorgen die 35 Jahre Erfahrung der FTS-Spezialisten aus Linz für ausgereifte Hard- und Software sowie ein vertieftes Problemverständnis.“ Immerhin konzentriert sich DS Automotion bereits seit 1984 ausschließlich auf fahrerlose Transportsysteme.

Sally als Vorgeschmack

Dennoch fiel die Entscheidung zugunsten dieses Anbieters erst nach der Installation einer kleineren Anlage zu Testzwecken. Dabei kommt das bekannte Kleinlasten-FTF Sally zum Einsatz. Auf einem mehr als 150m langen Kurs bringt es hauptsächlich Werkzeuge und Messmittel zu den Bearbeitungszentren. Der Implementierungsaufwand war gering, denn die Leitsteuerungssoftware DS Navios wurde auf bestehender Server-Infrastruktur bei Engel installiert. Ein weiterer Vorteil: Sally kommt dank der konturbasierten Navigation ohne Installationen entlang der Strecke aus. „Dieser Zwischenschritt gab uns die Gelegenheit, die Leitsteuerungssoftware DS Navios im Detail kennenzulernen und Erkenntnisse über innerbetriebliche organisatorische Voraussetzungen zu gewinnen“, erklärt Moser. „Zudem konnten sich die Mitarbeiter in der Produktionshalle langsam an selbstfahrende Fahrzeuge gewöhnen und von deren Sicherheit überzeugen.“

Bestwertung für Amadeus

Ein wichtiger Teil des Gesamtpaketes war das fahrerlose Transportfahrzeug für den Transport der Rohlinge zu den Dreh-/Fräsbearbeitungszentren. „Der Transport erfolgt in Wannenpaletten mit bis zu 1,5t Bruttogewicht, andererseits macht das Zwischenlagern der Rohlinge in einem Puffer-Regal knapp drei Meter Hubhöhe erforderlich“, präzisiert Peter Nenning. „Kein Anbieter außer DS Automotion konnte unsere Anforderungen in dieser Kombination erfüllen.“ Beim gewählten Fahrzeug handelt es sich um den erstmals im Februar 2019 öffentlich präsentierten Hochhub-Stapler Amadeus. Das frei navigierende FTF gehört zu einer neuen Generation von Serienfahrzeugen des Linzer FTS-Herstellers. Amadeus ist von Beginn an für den fahrerlosen Betrieb konzipiert. Er wurde zur Gänze bei DS Automation entwickelt und produziert. Der solide mechanische Aufbau und die harmonische Abstimmung aller Komponenten verleihen dem FTF eine kompromisslose Industrietauglichkeit und Langlebigkeit. Dank seiner kompakten Bauform sowie der exzellenten Spurtreue von FTF kann Amadeus die vorhandenen Transportwege bei Engel uneingeschränkt nutzen. „Auf seinem Weg kann Amadeus einen Gang nutzen, der wegen seiner geringen Breite für den Verkehr mit bemannten Staplern gesperrt ist“, erläutert Moser. „So trägt er nicht nur zu einer Verbesserung der Verkehrssituation in unserer Halle bei, sondern gibt den Kollegen Zeit für komplexere Fahrten zurück.“

Integriertes Gesamtsystem

Für den innerbetrieblichen Transport bei Engel nutzt Amadeus die Lasernavigation. Dabei sorgen Reflektoren entlang der Gänge für eine sehr hohe Positioniergenauigkeit. Das Fahrzeug weist die volle Kompatibilität mit allen frei navigierenden Systemen von DS Automotion auf. DS Automotion installierte daher für das FTS zum Rohteiletransport keine eigene Leitsteuerung, sondern erweiterte die bestehende Installation von DS Navios. Dadurch gelang ohne zusätzlichen Aufwand die Integration der beiden Teilsysteme in ein gemeinsam genutztes Gesamtsystem. In diesem können Amadeus und Sally Streckenabschnitte kollisionsfrei miteinander nutzen. Darüber hinaus ist das FTS sehr einfach zu administrieren und jederzeit offen für Erweiterungen, um komplexer werdende Anforderungen an die Intralogistik innerhalb eines einzigen Systems zu erfüllen.

Akzeptanz durch Sicherheit

Die Entwickler bei DS Automotion wissen, dass der Erfolg eines FTS nicht zuletzt von der Akzeptanz im Betrieb abhängt. Deshalb waren kompromisslose Sicherheit und klare Kommunikation die höchsten Ziele bei der Entwicklung von Amadeus. Seine Sensoren für die Personensicherheit arbeiten ohne blinden Fleck mit ungehinderter Rundumsicht. Ein farbiges Bodenlicht vermittelt Zustandsinformationen auf einen Blick. Zudem kann Amadeus per Sprachausgabe Hinweise geben, etwa dann, wenn Hindernisse zu lange seinen Weg blockieren. Das neue Design von DS Automotion stammt aus der Feder eines prämierten österreichischen Industriedesigners. Mit runden Formen und glatten Oberflächen senkt es psychologische Hürden zur Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. „Nach anfänglicher Skepsis haben sich unsere Mitarbeiter an Amadeus gewöhnt und Vertrauen in die Technik gefasst“, berichtet Peter Nenning. „Sie kennen das berechenbare Verhalten und die kompromisslose Personensicherheit des fahrerlosen Staplers.“

Zufrieden in die Zukunft

Das System wurde innerhalb weniger Tage in Betrieb genommen und läuft seit seiner Installation ohne technische Probleme. Noch transportiert der bisher einzige Amadeus nur die Rohlinge zu einer Handvoll Dreh-/Fräsbearbeitungszentrum und kehrt leer zum Rohmateriallager zurück. Dennoch war von Beginn an die angestrebte Entlastung der Staplerfahrer spürbar. Auch deshalb gibt es bei Engel recht konkrete Pläne, das System auf verschiedene Weise auszubauen. „Wir denken daran, das System um zusätzliche Fahrzeuge zu erweitern und mehr Maschinen mit Rohteilen zu versorgen“, nennt Moser eines der Vorhaben und ergänzt: „Zusätzlich ist angedacht, die gefertigten Teile zur Weiterverarbeitung zu verbringen.“ Langfristig kann sich der Intralogistik-Manager eine Umstellung des gesamten innerbetrieblichen Warentransportes auf fahrerlose Systeme von DS Automotion vorstellen.

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