Montage im Einklang durch Unterflurkettensystem

Jahrzehntelang wurden Druckgewerke nach dem Prinzip der Standplatzmontage produziert. Am Standort Radebeul läutete Koenig & Bauer Sheetfed einen Paradigmenwechsel ein und stellte auf getaktete Fließmontage um. Hierfür setzt der Druckmaschinenhersteller auf Automatisierungstechnik von Dematic und installiert dessen Unterflurkettenförderer Etow - Embedded Towline Systems.
 Je nach Arbeitsfortschritt bringt das interne Transportsystem Etow die Druckwerke in der Produktionshalle automatisch an die zwölf in Reihe angeordneten, miteinander verknüpften Arbeitsstationen.
Je nach Arbeitsfortschritt bringt das interne Transportsystem Etow die Druckwerke in der Produktionshalle automatisch an die zwölf in Reihe angeordneten, miteinander verknüpften Arbeitsstationen.Bild: Dematic GmbH

Beim Betreten der Produktionshalle von Koenig & Bauer Sheetfed bietet sich ein imposanter wie auch faszinierender Anblick: Riesige Druckwerke werden hier aus tonnenschweren Eisenteilen gefertigt. Das Gesamtgewicht der fertigen Aggregate liegt am Ende bei bis zu zehn Tonnen. Über 50 Jahre wurden die Druckwerke stationär in klassischer Standplatzmontage installiert. Hauptursache dafür waren die kundenindividuell gefertigten Produkte mit höchsten Anforderungen an Genauigkeit und Qualität. Die Nachteile sind jedoch eine intransparente Materialbereitstellung, Werkzeugversorgung und Mitarbeiterzuordnung. Anfang des letzten Jahres traf das Unternehmen daher die strategische Entscheidung für eine getaktete Fließmontage, um seine Montageprozesse zu optimieren und gleichzeitig vorhandenes Produktivitätspotenzial zu heben.

Dr.-Ing. Markus Rehm, Leiter Arbeitsvorbereitung Montage bei Koenig & Bauer Sheetfed, erläutert diesen bedeutenden Schritt: „Was in der Automobilbranche schon lange zum Standard gehört, ist aufgrund der besonderen Anforderungen wie z.B. besonders schwerer Lasten, höchster Genauigkeitsanforderungen bei der Montage oder hoher Produktvarianz beim Maschinen- und Anlagenbau noch nicht der Regelfall. Aufgrund des Optimierungspotenzials durch eine Fließmontage haben wir uns dennoch zu diesem Schritt entschlossen.“ Anschließend hatte der Druckmaschinen-Hersteller die ersten Vorkehrungen für die getaktete Fließmontage eingeleitet. „Wir haben zum Beispiel ein Rundschienensystem für die Spurführung des späteren Transports eingebaut“, berichtet Rehm. Anschließend suchte Koenig & Bauer nach einer geeigneten Anlage, um die vorhandene Infrastruktur und Montageplattformen weiter nutzen zu können.

 Zu den Systemkomponenten gehören außerdem ein Schaltschrank sowie ein Bedienpult.
Zu den Systemkomponenten gehören außerdem ein Schaltschrank sowie ein Bedienpult.Bild: Dematic GmbH

Etow überzeugt mit Leistung

Federführend bei der Recherche war Stephan Lehmann, Arbeitsvorbereitung Montage und Lean Management bei Koenig & Bauer Sheetfed. „Eine Fließmontage mit zwölf Druckwerken und einer Last über 100t schränkt die Lösungsmöglichkeiten zunächst einmal ein. Außerdem sollte die Anlage möglichst zuverlässig und robust sein sowie ein vertretbares Kosten-Nutzenverhältnis aufweisen“, erklärt er, worauf er bei der Auswahl besonderen Wert gelegt hat. Nach intensiver und abteilungsübergreifender Recherche fiel die Wahl schließlich auf die Unterflurkettenförderanlage Etow von Dematic. „Das System überzeugte uns einerseits durch seine Leistungsstärke, womit es sich hervorragend für den Transport von schwer durch den Produktionsprozess zu bewegenden Lasten eignet. Anderseits ist die Anlage dank ihrer langlebigen Komponenten sehr wartungsarm“, sagt Lehmann. Nachdem die Entscheidung für Dematic gefallen war, begann die Fein- und Ausführungsplanung. Vier Monate dauerten anschließend die Baumaßnahmen.

Für Koenig & Bauer hatte die zuvor standortbezogene Montage ein inhärentes Problem mit sich gebracht, berichtet Lehmann: „An den Montageplätzen wurde immer viel Material benötigt, welches zuvor individuell an die einzelnen Plätze kommissioniert beziehungsweise verteilt werden musste. Dadurch waren viele Mitarbeiter gebunden und die Nebenzeiten durch Such- und Vereinzelungstätigkeiten sehr hoch.“ Zudem mussten die Arbeiter jeden Tag – je nach Arbeitsstand – den einzelnen Montagestationen zugeteilt werden. „Unsere Fertigung war nicht getaktet, sondern Gewerke-orientiert. Somit war der Montagefortschritt nur schwer ersichtlich und ein exakter Fertigstellungstermin schlecht planbar“, erklärt Lehmann. Mit Etow wird das Material an den Arbeitsstationen nun taktgenau und bedarfsgerecht bereitgestellt. „Durch die Umstellung ergibt sich eine messbare Qualitätssteigerung bei weiter verbesserter Termintreue über den gesamten Produktionsprozess hinweg. Innerhalb kürzester Zeit haben wir unsere Durchlaufzeiten signifikant gesenkt und die Produktivität deutlich gesteigert“, freut sich Lehmann. Darüber hinaus kann der Druckmaschinenhersteller seine Mitarbeiter im Gesamtprozess nun deutlich effektiver einsetzen. Mithilfe der Materialbereitstellung per Routenzug etablierte Koenig & Bauer gleichzeitig das Just-in-time-Prinzip für eine taktgenaue Teileversorgung. „Damit haben wir auch den Umlaufbestand gesenkt und so die Kapitalbindung deutlich reduziert. Gleichzeitig profitieren unsere Kunden von kürzeren Lieferzeiten“, erklärt Lehmann.

 Stephan Lehmann, Arbeitsvorbereitung Montage und Lean Management bei Koenig & Bauer Sheetfed.
Stephan Lehmann, Arbeitsvorbereitung Montage und Lean Management bei Koenig & Bauer Sheetfed.Bild: Dematic GmbH

Sicher, ergonomisch, effizient

Je nach Arbeitsfortschritt bringt das interne Transportsystem Etow die Druckwerke in der Produktionshalle automatisch an die zwölf in Reihe angeordneten, miteinander verknüpften Arbeitsstationen. Das System arbeitet mit einer angetriebenen und umlaufenden Unterflurkette, die über einen Kanal im Boden integriert ist. Die Länge des Schienenkanals beträgt etwa 40m. Mit Produktträgern, die an die Unterflurförderanlage gekoppelt werden, erfolgt der Transport der Druckwerke zu den zwölf Stationen. Zu den Systemkomponenten gehören außerdem ein Schaltschrank sowie ein Bedienpult.

Die Handhabung von Großteilen an den Arbeitsstationen erfolgt über Balancer. An diese sind an den jeweiligen Anwendungsfall angepasste Manipulatoren befestigt. Sie ermöglichen ein sicheres, ergonomisches Handling. Dazu ist das System über ein Lichtschrankensystem zutrittsgesichert, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten. Dabei ist die Geschwindigkeit während des Transportvorgangs gedrosselt. Arbeiter können innerhalb deutlicher Markierungen daher auch in der Umgebung des Systems völlig sicher arbeiten.

Individueller Service und partnerschaftliche Zusammenarbeit

„Wir mussten die Planung immer wieder neuen Herausforderungen anpassen. Gemeinsam mit Dematic haben wir das optimal bewältigt „, bilanziert Lehmann. Bei der Installation von Etow stellt Markus Rehm insbesondere den kundenorientierten Vertrieb von Dematic heraus: „Der technische Vertrieb war mehrmals in Radebeul vor Ort und hat uns detailliert gezeigt, wie das Kettensystem funktioniert. Zur Veranschaulichung hatten wir darüber hinaus die Möglichkeit, eine Referenzanlage des Etow-Systems aus der Nähe bei einem anderen Kunden zu betrachten. Außerdem hat Dematic immer wieder spezifische Anpassungen des Systems vorgenommen, zum Beispiel wurde der Schaltschrank speziell an die räumlichen Gegebenheiten angepasst. Das Unternehmen lieferte darüber hinaus ein hardware- und softwareseitig angepasstes Bedienpult.

Seit dem Go-live läuft das System reibungslos. Dematic-Monteure schulten die Mitarbeiter von Koenig & Bauer im Umgang mit der Anlage. „Die Einweisung war sehr praxisorientiert“, berichtet Rehm. Die Handhabung von Etow sei einfach und intuitiv: „Der Bediener muss lediglich die Transportwagen an dem Kettenförderer einklinken oder von ihm abziehen“, so Rehm. Die Dauerschmierung der Kette durch den Antrieb reduziert die Wartung auf wenige Eingriffe pro Jahr. Darüber hinaus übernimmt Dematic auch nach Abschluss des Projekts einen 24-Stunden- und Software-Support. „Das Etow-System ist störungsfrei und intuitiv bedienbar. Ein wesentlicher Vorteil ist die Robustheit des Transportsystems und die hohen Lasten, die bewegt werden können“, resümiert Rehm.

www.dematic.com

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